Also wie das ging, dass ich in
Panama auch noch zum Sexbotschafter wurde, das nimmt Dich bestimmt wieder am
meisten wunder.
Kurz hellt es auf bevor es volle Kanne runterprasselt |
Wie ich da in Casco Viejo, dem
Altstadtteil von Panama City so herumspaziere, beim Plaza de Francia, da zieht
ein gehöriges Gewitter über die Stadt herein. Anfänglich bläst ein scharfer
Wind. Doch schon bald prasseln zuerst nur vereinzelt, dicke, schwere Tropfen
vom Himmel. Die Indios fangen an ihre kleinen Souvenir-Stände zusammen zu
packen und auch die modern times Hippies mit ihren verfilzten Haaren und den
Henna Tattoos rollen ihre Tücher mit dem selbst gebastelten Schmuck ein. Tief
sitzen die Jeans, weiss ist der Gürtel und pinkig das T-Shirt und so rennt auch
das Schwulenpärchen mit den vollgelten Haaren nach Deckung als es anfängt aus
vollen Kübeln zu giessen. Tropisches Donnerwetter, genauso wie Du Dir das
vorstellst.
Ein Blick ans Monument aus unserem Unterschlupf |
Eine zusammengewürfelte
Gesellschaft findet sich so unter der Terrasse des Monumentes am Plaza de
Francia. Die Indios, ihre Kunsthandwerkssachen in die, von hartem Gebrauch
zeugenden, roten und schwarzen Rollkoffer gepackt, darauf die blauen Plachen
zusammengeknüllt, sitzen sie an den Wänden, eine routinierte Prozedur scheint
es für sie zu sein, ruhig und ohne Worte sitzen sie da und warten, sie sind
sich sicher der Himmel wird sich bald wieder auftun und der Sonne Platz machen.
Das teenage Liebespärchen, wo er auch unter dem Dach noch stetig versucht sie
mit dem vom Wind gebeutelten Regenschirm zu decken, was ihr zusehends auf den
Wecker geht, das besagte Latino Schwulen-Pärchen hat auch unters Dach gefunden,
der eine den andern bittet zu checken ob seine gestylte Frisur noch sitzt, mit
den flachen Händen zieht er seine Haare über dem Kopf gen' Himmel, so dass sie
dann vorne in einem Spitzchen über seiner Stirn glänzend hochstehen, sein Lover
bestätigt mit einem verliebt lächelnden Kopfnicken, dass die Friese wieder
passt. Der einheimische Strassenmusikant hat sein Banjo hastig in eine
abgeschabte textile Instrumententasche gesteckt und nimmt die Sache mit der
stoischen Ruhe der Indios. Auch das englische Hippie Pärchen ist hier und
erstaunlich cool geben sie sich gegenüber allen anderen die da unterm Dach
stehen, ich gab mich immer der Illusion hin die Filzhaar-Henna-Tattoo-Typen
seien so offen und tolerant. Peace-Love-Happiness sozusagen, die zwei scheinen
eher arrogant als tolerant - komisch, sehen sie die Indios und die Musikanten
als ihre Konkurrenten im Kampf um der Touri's Münzen? Der Fruchtsaft Mann hat
seinen aus Aluminium und Chromstahl Blechen zusammen genieteten Wagen auch
unter Dach gefahren, mit einer Raspel schabt er Eis von einem grossen, ca. 50 x
50 Zentimeter messenden Eisblock, den er unter einer passenden verchromten
Haube zum Vorschein zaubert, aus einem Glas schüttet er klein gehackte
Fruchtstücke in einen Styroporbecher, gibt das geschabte Eis dazu, mit den
Zähnen zieht er den Korken aus einer braunen Flasche aus der nun, rötlicher,
vermutlich Melonen Saft in den Becher fliesst, ein paar Münzen werden gegen den
Becher getauscht und eine hübsche, junge Frau zieht genüsslich am Strohhalm
während sie zurück zu einer in drei kleinere Gruppen aufgeteilte Bande von johlenden
Teenagern kommt. Sie haben zusammengerollte kleine mit schwarzen Buchstaben
bedruckte Transparente. Mit denen machen sie allerlei an Kapriolen, zu einer
Tüte gerollt wird daraus ein Megaphon in das ein schlaksiger Junge immer wieder
die gleichen Sprüche trällert, ich versteh nicht was er sagt, aber es muss
lustig sein, die ganze Gruppe der Jungen lacht schallend, was ihn anheizt mehr
und mehr seiner Sprüche zum Besten zu geben. Es dauert nicht lange und zwei
weitere Burschen tun ihm gleich und schon singen die drei gemeinsam in ihre Tröten.
Neben ihnen haben sich drei Mädchen aufgestellt die alle denselben Tanz
aufführen und alsbald von einem vierten Gesellschaft bekommen, es scheint ein
Pop-Song zu sein den die drei da singen und ich muss sagen wie die hübschen,
kurvigen, Latino-Mädchen da so spontan tänzeln sieht echt gut aus und auch die
Burschen singen ganz ordentlich. Mitten im Song scheinen sie abzubrechen und
alle lachen schallend, die singenden Burschen ein bisschen verlegen, die
Mädchen noch ein bisschen verlegener.
Es giesst |
Hinter mir stehen drei Frauen und
ein junger Bursche, deren Zugehörigkeit zur Gruppe ich erst jetzt checke, sie
lachen herzlich mit den Jungen, ich dachte zuerst es sei Tochter und Sohn mit
Mutter und Grossmutter. Auf jeden Fall kommt das Mädchen dieser vierer Gruppe
auf mich zu und fragt mich, ob ich mit ihr für ein Foto posieren würde, alle
anderen Lachen laut auf und dem Girl schiesst die Röte in die Wangen. Erst
recht sage ich zu, sie stellt sich dicht neben mich, ich lege meinen rechten
Arm kumpelhaft auf ihre Schultern, sie guckt zu mir rüber und strahlt, dann
legt sie ihren linken Arm genauso auf meine Schulter und ich helfe ihr, ihr
bedrucktes Papier quer vor uns aufzuzeigen, während der Bursche und die Frauen
Fotos machen. Schon wieder wird das arme Mädchen rot, wie ich sie frage, was
denn da auf dem Papier stehe und für was ich mich gerade einspannen hätte
lassen. Blitzschnell rollt sie es zusammen und verweist mich auf die Frau, etwa
in meinem Alter die in der Gruppe stand, die, die ich für die Mutter hielt. Sie
kommt sofort auf mich zu und erklärt mir um was es geht. Fragt mich woher ich
komme. "Dios mio!" entfährt es der älteren Dame die sich immer
schmunzelnd im Hintergrund hielt, als ich sage ich komme aus der Schweiz. Die
Frau in meinem Alter fragt, ob ich nicht mit ihr für ein Video posieren würde,
verstehst schon so von wegen internationalem Support für ihre Sache, die sie
mir kurz aber ausführlicher während dem Video erklärt. Die zwei Frauen arbeiten
mit einer ganzen Gruppe von Jugendlichen zusammen an einer Petition mit der sie
für Sexual-Unterricht in den Schulen kämpfen wollen. Die Frau erklärt mir vor
laufender Camera, dass es in Panama eine hohe Anzahl an Mädchen gibt, die
bereits in der Schule schwanger werden, oft sind die Typen leider dann schon über
alle Berge, für die Mädchen heisst das, dass die Schule frühzeitig zu Ende ist,
ohne Abschluss oder Studium sind ihre Chancen dann später gering. Selbst wenn
die Burschen zu ihren Mädchen stehen, sind sie selbst noch in der Schule und
haben kaum eine Möglichkeit für die Familie zu sorgen, was wiederum zusätzliche
soziale Spannungen in der Familie verursacht da dann meist die Grosseltern des
entstehenden Kindes in die Breschen springen müssen. Ich höre interessiert zu
lächle ab und zu in die immer blinkende Video Camera, in meinem Kopf sammle ich
meine Brocken Spanisch zusammen, rechne damit jeden Moment gefragt zu werden,
wie denn das in der Schweiz sei. Ich überlege, dass ich eigentlich selbst nie
Sexualkunde Unterricht hatte, ich glaube mich zu erinnern, dass wir das einst
auf dem Stundenplan hatten, aber mein Oberstufenlehrer damals war so eine
Pfeife, dass er sich eben drückte uns irgendwas davon zu erzählen. Während ich
mich im Kopf schon für meinen Auftritt vorbereite erzählt die Frau weiter: Noch
viel schlimmer natürlich die ganze Sache mit Sexualkrankheiten und HIV, weit
verbreitet in Zentralamerika wissen die jungen Erwachsenen wenig Bescheid
darüber, in den schlimmsten Fällen kommt noch häusliche Gewalt, vor allem an
den Mädchen dazu. Und nur wenn die jungen Menschen darüber informiert würden
und es Bildung spezifisch in diesem Fach,
genauso wie Sprache, Rechnen und Geschichte gäbe, könne etwas für die
Verbesserung getan werden. Ob ich nicht mit meinem Zustimmen die Petition
unterstützen würde, natürlich, ich bejahe und nicke, ein bisschen stocken mir
die Worte eh im Hals, nicht nur wegen Spanisch auch wegen dem bedrückenden
Thema. Die Frau bedankt sich mit einem Händeschütteln, das Lichtchen an der
Video Camera geht aus. Das eben noch rot angelaufene hübsche Mädchen steht
gerade und stolz neben mir, schliesslich war sie es, die den Fremden ansprach
und für die Sache bewegte. Erst hatte die Gruppe von jungen noch gelacht, jetzt
fängt einer der Jungs an zu Klatschen und schon bald klatscht die ganze Gruppe
mit. Stolz ist sie, mit Recht und schon wieder schiesst eine Verlegenheitsröte
in ihr Gesicht - und fast glaube ich, sie ist nicht ganz alleine. Einige der
Jungs kommen und schütteln mir die Hand. Auch die ältere Frau kommt, sie guckt
mir tief in die Augen sagt kein Wort, nimmt meine Hand und legt beide ihre
Hände darum und schüttelt sie kurz und kräftig.
Der Himmel zieht auf, noch tropft
es von den Bäumen die sich auf dem nassglatten Kopfsteinpflaster spiegeln. Ohne
Worte löst sich die kleine Gruppe die sich für eine knappe Viertelstunde
unfreiwillig vereint unter ein und demselben Dach fand so schnell wie sie sich
gefunden hat wieder auf. Auch ich stapfe mit den ersten Menschen hinaus - noch
nicht ahnend wie lange mir Worte, Gesten und Händeschütteln dieser kurzen Begegnung im Kopf herum spooken werden.
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