Na das ist ja mal ein Ding, jetzt hat doch mein Fahrrad plötzlich auch noch einen Auspuff, und dann noch was für einen. Was ist passiert?
Wie ich neulich auf einer bergigen Schotterstrasse in den Anden den Berg hochgekrochen bin, also natürlich der blue truck, nicht ich, hat es plötzilch so seltsam gezischt, auf der Beifahrerseite. Sofort hab ich den Auspuff vermutet und nach einem kurzen Blick unter die Seite des Autos sah ich, dass das Rohr vor dem Eintritt in den Topf angerissen war. Da kannst nicht viel machen, so unterwegs. War klar, dass das auch noch ganz ausreissen würde, was auf den nächsten paar Metern geschah. Die Geräuschkulisse des Toyotas konnte es nun ab sofort locker mit den Autobussen von Ecuador aufnehmen. An den Polizeikontrollen vorbei bin ich ohne Druck aufs Gaspedal ganz ruhig schnurrend vorbeigerollt. No hay problemas - Todo bien.
In Otavalo angekommen konnte mir dann Dennis, der Eigentümer des Campingplatzes hier, einen Tip geben wo ich den Auspuff schweissen lassen kann. Vom blue truck demontiert am Velo montiert, bin ich dann gestern damit ins Städtchen geradelt, viel radeln musste ich nicht, ging ausschliesslich bergab. Nach kurzem Suchen fand ich die Bude des Schweissers, genau dort, wo mir Dennis gesagt hat würde ich ihn treffen. In der kleinen Einfahrt stand eine riesige, alte Baumaschine die offensichtlich ganz gemächlich einer Totalrevision entgegen ging. An einem Ständer aus Metall mit vielen kleinen Rohren angeschweisst steckten verschiedenste Auspufftöpfe und -rohre und bildeten so den reinsten Auspuff-Blumenstrauss.
"Holá mi amigo!" ruft mir ein grosser mit einem riesigen Hängebauch ausgestatter Mann zu. Ich grüsse, schüttle Juan-José (vermutlich Juan-José er spricht unwahrscheinlich undeutlich, was definitiv nicht an meinem schlechten Spanisch liegt) die Hand und stelle mich vor. Er steht an einem verrosteten und von unzähligen Schweisspunkten und Nähten übersäten Schraubstock der auf einem kleinen metallenen Tischchen festgeschweisst ist. Um ihn herum in der open air Werkstatt hämmern und klopfen zwie Burschen Bleche zurecht, einer über das alte metallene Gehäuse eines Anlassers, der andere klopft mit einem Stück Holz ein Blech über einen roten, zerschlagenen Backstein. Immer wieder reichen sie dem Dickbauch ein Stück und einmal macht er mal schnell einen Schweisspunkt ein andermal schweisst er ein Rohr an ein Blech. Ein anderer Typ hängt über dem Motor der Baumaschine und werkelt irgendetwas, immer mal wieder ruft er mit krächzender Stimme etwas für mich unverständliches aus seiner unbequemen Lage und erhält darauf hin von Juan-José ein paar für mich ebenso unverständliche Instruktionen zugebrummt.
"Na dann bring mal Deinen Auspuff, nimm ihn runter von Deinem komischen Fahrrad!" Lacht er. Auf reichlich alten Autositzen im Shop sitzen drei noch wesentlich ältere Señoras, alle die Hände im Schoss, eine kaut immerzu mit ihrem zahnlosen Mund, als wär sie eine wiederkäuendes Kühlein. Sie ist klein und zusammengesunken und guckt mich aus einem verfurchten, von Lebenserfahrung zeugenden Gesicht an. Im Gegensatz zu ihrem alten, klein gewordenen Körper funkeln ihre dunklen, fast schwarzen Augen auch jetzt noch freundlich und fröhlich, sie nickt mir zu. Eine andere nickt andauernd, fast wie ein Wackeldackel, lächelnd. Sie hat kurze schwarze Haare die sie unmissverständlich selbst und vermutlich ohne Spiegel geschnitten hat. Sie stämpfelt immer wieder mal mit dem linken Fuss in den Filzpantoffeln auf den schmutzigen, erdigen Boden und schaukelt kurz auf ihrem Autositz vor und zurück. Eine andere nur halb so alte und doch nicht mehr junge Dame steht neben an und ist immer gerade eine bisschen zu spät, wenn sie sich mit der flachen Hand die Augen verdeckt sobald der dicke Juan-José mit viel Funkenwurf wieder einen Schweisspunkt setzt.
Der blue truck Auspuff liegt jetzt auf dem Schraubstock. "Das ist Chromestahl, geht das zum Schweissen, Juan-José?" - "Inoxidable, es un problema!" sagt er ernst und lacht dann schallend laut, oben und unten fehlen ihm in der Mitte alle zähne, jetzt weiss ich auch wieso ich den guten Mann so schlecht verstehe. "Ich bin der Chirurg!" lacht er wieder laut heraus, wie er eine neue Schweisselektrode in die Zange steckt. "Chirug bin ich, Chirurg!" Die alten Weiber lachen ihr zahnloses Lachen und schaukeln auf ihren Autositzen. Die Alte mit den dunkeln Augen klopft sich mit den flachen Händen auf die Schenkel und wippt vor lauter grinsen vor und zürück auf dem Bänkchen das wohl einem alten VW Bus oder so entstammt. Dickbauch Juan-José geniesst die Aufmerksamkeit seiner ausschliesslich weiblichen Audienz sichtlich. Ich erkläre ihm wie genau das Rohr angeschweisst werden muss, es hat nämlich einen kleinen Winkel und der muss stimmen, sonst passt das dicke Rohr nicht mehr in die Halterungen. "Festhalten!" er deutet mit dem Kopf auf das Ende des Auspufftopfs "drehen wenn ich's sage!" Er setzt den ersten Schweisspunkt ich drehe das Rohr eine halbe Umdrehung, er setzt einen neuen Schweisspunkt. Ich bin froh, genau so hätte ich es auch gemacht. Dann zieht er nach und nach eine Schweissnaht um das Rohr während ich den Auspuff langsam drehe. Die Funken spritzen auf seinen von brandlöchern übersäten Fleecepullover der bei zwei drittel seiner riesigen Beule endet, darunter hängt ein grünes ebenso verlöchertes T-Shirt, das nochmal einen Teil verdeckt, dann hängt seine eindrückliche, unbekleidete Wampe über dem Hosenbund. Garantiert spürt er nicht mal wenn ihm die Funken auf den Bauch spritzen, so gut gedämpft ist das alles. Wenn er kurz aufblickt vom Schweissen, lacht er wieder "Chirurg, ich bin der Chirurg" und die Alten schaukeln wieder in ihren Sesseln während schon wieder die Funken sprühen. Zehn Minuten später und fünf Dollar leichter schnalle ich den Auspuff wieder an mein Radel. Verabschiede mich dankend vom Señor Chirurg, die alten Weiber lachen. Juan-José wünscht mir viel Glück, was auch immer ich für Probleme hätte, ich solle bei ihm vorbeischauen. Schon pedale ich den Berg hoch, zwei Stunden später hat mein Velo keinen Auspuff mehr, dafür der blue truck wieder einen.
Vielen Dank - Herr Chirurg!
Auf dass der chirurgisch reparierte Auspuff nun lange halte! Gute Fahrt!
AntwortenLöschenBesten Dank, Florian!
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