Mittwoch, 8. August 2012

Gegen Hunger hilft nur Essen

"Holà Amigo!" tönt es während ich die Hecktüren offen habe und auf einem Parkplatz in einem kleinen Städtchen in Panama ein paar Sachen im Auto verstaue. Ich hüpfe aus dem Auto und ein kleiner Mann, in ordentlichen, nicht ganz sauberen, Kleidern streckt mir die Hand entgegen, ich begrüsse ihn und schüttle ihm die Hand, "Amigo!" schiesst er gleich los  "Meine Mutter ist im Spital, wir müssen ihr dort jeden Tag das Essen bringen, im Spital gibt es nichts, ich habe vier Kinder, wir haben alle hunger, ich kann jetzt nicht zur Arbeit gehen, weil wir uns um die Mutter im Spital kümmern müssen. Meine Frau ist auch krank. Bitte Amigo, hilf uns, wir haben hunger!"

Die Geschichten sind immer ähnlich, ob in Albuquerque, New York, LA, Fairbanks, ob in Vancouver's  Altstadt oder vor Mexico City's Flughafen. Die lassen sich was einfallen die Bettler da könnten sich die "Häsch mer en Stutz?" Bettelnden in Zürich noch einen abschneiden. 

Trotzdem für mich immer ein bisschen ein Dilemma, was ist dran an der Geschichte, vielleicht alles wahr? Ein Teil wahr? Ein guter Schauspieler? Tatsächlich gibt es in Panama eine akzeptable Gesundheitsversorgung, ich weiss aber, dass in vielen zentralamerikanischen Spitälern die Patienten tatsächlich nicht verpflegt werden. In Panama? Ich weiss es nicht. Seine ganze Story: wahr oder Lüge? - Ich weiss es nicht. Eins ist auf jeden Fall klar, ihm geht es weniger gut als mir.

Seine Worte liegen mir noch im Kopf wie ich wieder durch die Hecktür in den Toyota steige "...wir haben hunger..." Ich sammle meine neulichen Einkäufe zusammen, ein Brot, ein Sack Reis, ein paar Tomaten, Zwiebeln, zwei Bananen und ein Pack Milch. Ich stecke alles in eine Plastiktüte und steige aus dem blue truck. Er hält sein Kopf leicht nach links und guckt mich interessiert an. Ich frage nach: "...die Mutter, im Spital? Ihr müsst sie verpflegen, Deine Kinder und Du haben hunger?" - "Ja genau so ist es, hunger" bestätigt er knapp, ich öffne die Tüte und erkläre ihm was er da an Essen bekommt, er nimmt die Tüte und hält mit jeder Hand einen der Henkel, guckt rein, dann guckt er mich verdutzt an, dann guckt er nochmal in die Tüte, knüpft die Henkel zusammen, bedankt sich kurz, dann marschiert er davon, noch auf dem kleinen Parkplatz macht er halt und nimmt sein Rucksäckchen vom Buckel und stopft die Plastiktüte rein. 

Sicher, er wollte Geld. Deshalb sein eigenartiger Blick in die Plastiktüte. Kein Zweifel, aber er hat gesagt er und seine Familie hätten hunger, er hat mit einer gefühlserwärmenden Geschichte um Essen (...wir haben hunger...) gebettelt. Also kriegt er was zu essen. Stimmt seine Story so kann er was nach Hause auf den Tisch bringen, stimmt sie nicht, dann wird er sich vielleicht für's nächste Mal was anderes einfallen lassen.  

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