Montag, 5. März 2012

Ein hüpfender Busen, 150‘000 Dollar in Sand gesetzt und ein Latin-Lover!

Ein Lichtschein zieht um den blue truck, ich erwache, es ist schon dunkel, ich weiss nicht ob ich schon viele Stunden geschlafen habe oder erst wenige Minuten. Wir campen alleine an einem Strand in einem kleinen mexikanischen Naturpark, nur wenige Kilometer südlich der Stadt Tulum.

Brigitte & Peter die ich in Los Barillos auf der Baja kennenlernte kommen mir in den Sinn: „…mach einfach nie auf Nachts, NIE! – Die sind sofort in Deinem Auto und haben Dich…“ Ich rüttle Ursi wach – „...wir bekommen Besuch…“ während ihren letzten Tagen des Mitreisens noch so viel Abenteuer! Auf die Uhr geschaut stelle ich erstaunt fest, erst kurz vor neun. Dann kommt auch das Klopfen, wie von Brigitte vorausgesagt. Der Typ draussen leuchtet nervös mit seinem Handy in der Gegend rum, eine Taschenlampe scheint er nicht zu haben. Er ruft, ob wir aufmachen könnten, er bräuchte Hilfe, er sei am Strand beim Fischen mit dem Auto im Sand stecken geblieben. Bin unterdessen runter geklettert, hab ohne Licht im Mondschein durch die Frontscheibe gespäht, durch die Seiten scheiben geguckt und während dessen mit dem Typen zu plaudern begonnen. Er scheint allein zu sein. Er bittet erneut um Hilfe, nun auch in Englisch. Noch ist der blue truck verschlossen und alles dunkel. Ich sage ihm, ich werde gleich rauskommen, er solle warten.

Im Dunkeln bereite ich meine Taschenlampe und denn Bärenspray vor und warte hinter der Tür bis ich seine Silhouette direkt vor mir im schwachen Mondschein erkennen kann. Blitzschnell schnellt die Türe auf und der Typ guckt mich mit blinzelnden Augen im Strahl meiner Taschenlampe an, der Bärenspray verschwindet nun in meiner Tasche. Tatsächlich ist er alleine, ein Latino Macho der besten Sorte, brauner Tein, dunkler frisierter 3-Tage Stoppelbart, lange lockige, eingegelte Haare die mich an die immer ein bisschen schwul wirkenden, 80er Jahre Fussballer mit ihren schulterlangen Haaren erinnern. Er trägt ein rotes Golf-Shirt das irgendein Krokodil, einen Polo- oder Golfspieler oder so was auf der linken Brust aufgestickt hat, komisch bunt karierte, knielange Shorts geben ihm einen kindergärtnerischen Look und teuer aussehende sandige Ledersandalen runden das Bild nach unten ab. 


Datei:Range Rover Sport front 20081205.jpg
Source: Wikipedia
„Wo steckt den Dein Auto fest?“ – „Da unten am Strand!“ er zeigt über die Düne auf die ich steige und mit meiner Stirnlampe runter zünde, ich erkenne ein paar orange Reflektoren und die Silhouette eines Fahrzeugs ein paar hundert Meter nordwärts am Strand. Ich gehe nochmal zurück zum blue truck, wo Ursi aus dem ersten Stock besorgt unser Treiben verfolgt und gebe Entwarnung. Schon stapfe ich mit dem Macho durch den Sand. „I buy this fucking piece of shit and think it can do everything and now I sit with this piece of shit…!” sagt er wieder und wieder mit seinem lustigen mexikanischen Akzent der irgendwie, wenn auch total anders, an Schwarzenegger und sein mit österreichischem Akzent zum besten gegebenes „Hasta la vista, Baby“ erinnert. Wie wir uns dem schwarzen Range Rover Sport Supercharged nähern erstrahlt plötzlich das innere des Autos im Schein einer komplexen bläulich-gelben LED Innenbeleuchtung und lässt ein beiges Leder Interieur im Lichte erscheinen. Eine junge sympathisch-natürliche, attraktive Frau springt aus dem Auto und streckt mir im Schein meiner Lampe die Hand entgegen und stellt sich vor. – Soso, fischen warst Du… denk ich mir und schüttle der jungen Dame die Hand …keinen schlechten Fang hast Du gemacht! Ich guck mir zuerst mal das Malheur an. Das Auto ist tief im Sand versoffen. So tief, dass die Fahrer und Beifahrertüre beim Öffnen links und rechts tiefe Spuren im Sand hinterlassen haben und es aussehen lassen, wie wenn ein Kind im Winter im Schnee auf dem Rücken liegend ein „Engelchen“ in das frische Weiss zeichnet.

Source: www.de.toonpool.com

Der Latin-Lover flucht und schimpft ständig über sein „fucking piece of shit“ während ich um das Auto gehe und feststelle, dass er rundum mit der Karosserie auf dem Sand aufliegt, die Achsen haben sich tief im Sand eingegraben, die Luftfederung ist in der Stellung für maximale Bodenfreiheit verharrt, was ein noch tieferes eingraben ermöglicht hatte, wahrscheinlich als das Auto längst im Sand feststeckte und der gute Mann sämtliche Knöpfchen am Armaturenbrett ausprobierte. Unterdessen sitzt der Typ im Auto und der Kompressor des V8 Motors zischt während er die Drehzahl hochschnellen lässt. Die Niederquerschnitt-Strassenreifen versuchen von der komplexen Elektronik gesteuert abwechselnd Gripp zu finden und werfen Sand in die Luft. Ich sag ihm er könne damit aufhören, das bringe nichts.

„fucking piece of shit…“

Zurück beim blue truck schnalle ich die Sandbleche los und schnappe mir den guten alten Klappspaten der Schweizer Armee und stapfe zurück zu den beiden. 
Ich erkläre ihm dass wir einfach graben müssten, bis wir die Bleche unter die Bereifung bringen und so viel Sand unter dem Auto weg hätten, dass die Reifen genügend Druck auf die Bleche bringen, damit er wieder Fahrt gewinnen kann. Er sitzt im Auto und fragt mich wie er denn seinen Allrad einstellen soll. Ich habe keine Ahnung von dieser modernen, elektronischen Geschichte und frage ihn was er für Optionen hätte, auf der Mittelkonsole neben dem in einer Holzblende mit Ledermanschette steckenden Automatikwählhebels hat es ein Rädchen mit Bildchen, es erinnert mich an die Bedienung einer Digitalkamera, wo es auch so Bildchen für Portrait, Landschaft uns sonst was für Aufnahmen hat. 

Source: i.auto-bild.de
Ich sage ich hätte keine Ahnung und deute auf ein kleines Symbol, das meiner Meinung nach einen Mini Range Rover auf einer Sanddüne zeigt. Dann wird gebuddelt. Der Sand ist trocken und geschmeidig und scheint dauernd wieder mindestens zur Hälfte zurück in die Mulde die wir um die Räder graben zu rutschen. Der Macho läuft immer wieder ums Auto, schwingt den Spaten und schreit was von seinem „fucking piece of shit“ während seine Freundin tatkräftig mithilft und sich mit blossen Händen so ins Zeug legt, dass ihr üppiger Busen aus dem luftigen Top zu springen droht.

20 Minuten später gelingt es mir das erste Blech unter die Vorderräder zu stossen, bald darauf ein zweites. Nicht damit ich seiner Freundin noch ein bisschen beim buddeln zusehen kann, sondern damit wir dem Wagen dann auch die Fahrt aus dem Elend ermöglichen können, buddeln wir noch auf der Seite eine Menge Sand weg. Mr. Latin-Lover setzt sich ins Auto, ich sage ihm er soll nur starten und den Gang einlegen und ohne viel Gas versuchen auf den Blechen Fahrt zu gewinnen und erst wenn er etwas Fahrt hat dann Schub geben. Er startet sein fucking piece of shit und sein schwerer Fuss lässt den Motor sofort aufheulen. Ich hätte erwartet, dass die Elektronik erkennt wo die Räder Gripp haben, komischerweise drehen die Vorderräder auf den Blechen aber nur ganz kurz und ziehen das Auto nur 5 oder 10 Zentimeter vorwärts, bleiben dann stehen und die Hinteren Räder drehen wild durch, während die vorderen keinen Wank mehr tun. Ich sage er solle aussteigen und den Motor abschalten, wir müssten weiter graben. Er springt aus dem Auto, der Motor läuft noch, der Automat noch im Drive, die hinteren Räder noch am durchdrehen. Ganz schön, dieser Latin Lover, ganz schön doof. Als die Maschine zum Stillstand kommt, buddeln wir wieder hinten: Wir, das sind seine Freundin und ich, er rennt verzweifelt in bester Rumpelstilzchen Manier ums Auto, nur dass sich Rumpelstilzchen freute, das könnte ich bei ihm nicht behaupten.

Nach weiteren 10 Minuten schweisstreibenden und busenhüpfenden Buddelns gelingt es uns die Bleche unter die Hinterräder zu stossen. Neuer Versuch, gleiches Resultat, die Elektronik lässt die Räder kurz drehen und zieht sie einige Zentimeter auf die Bleche, dann bleiben die Hinterräder stehen und die vorderen drehen sich wild im Sand. Wow, bin ich froh hat mein Toyota keine Elektronik für die Steuerung des Allradantriebs, der Sperren und des Verteilergetriebes. Was für ein Quatsch.

Während mir das verschwitzte Mädchen erklärt sie hätten auch noch einen Hummer und das sei ihnen damit also noch nie passiert fange ich an vorne am Auto nach einem Abschlepphaken zu suchen, nichts, alles ist prächtig mit einer formschönen, halb im Sand versunkenen, schwarzmetalic lackierten Stosstange verkleidet. Ich frage Mr. Latin Lover ob er wisse wo der Abschlepphaken sei oder ob es einen kleinen Deckel gäbe wo man eine entsprechende Öse einschrauben könnte. Meint er, das gäbe es nicht, er hätte schon im Owners Manual geguckt. Kann ich mir kaum vorstellen und buddle doch mal vorne noch ein bisschen Sand weg, kann aber mit meiner Stirnlampe zündend auch nichts entdecken. Auf meine Frage hin wo er herkomme und ob er von dort eventuell einen Traktor oder ähnliches organisieren könne um ihn raus zuziehen erwidert er, er wohne einige Kilometer der Küste hoch Richtung Tulum, seinem Onkel gehöre dort ein Resort. Ich rate ihm dort anzurufen und jemanden mit schwererem Geschütz zu organisieren um ihn rauszuziehen. Er telefoniert nicht, meint stattdessen, sie würden zu Fuss der Strasse hoch laufen und dann jemanden holen. Ich sage ihm er soll doch seinen Hummer und ein langes Seil mitbringen, wir würden dann seinen Range schon rausziehen bevor die drohende Flut ihn dann reinzieht, er steht nämlich nur ca. 8 Meter von der plätschernden Brandung entfernt. Er brummelt was unverständliches, ich lasse ihm die Bleche, begleite die beiden zur Strasse und überlasse ihnen meine Taschenlampe. Das Girl bedankt sich x-fach und die beiden Verschwinden in der Dunkelheit. Stundenspäter höre ich wie er mit Motorengeheule über die Düne zu hüpfen kommt. Nach ein bisschen lamentieren, steigen sicher 15 oder 20 Leute auf die Brücke eines Pick-ups, der Range Rover leuchtet mit blauschimmernden Scheinwerfern in die Palmen und zieht von dannen, der Pick-up, mit wesentlich bescheideneren Lichtern auch. Anscheinend war da nicht viel mit Hummer und Onkel, dafür dann mit der Hilfsbereitschaft und vereinter Muskelkraft der Mexikaner. Die Bleche und die Taschenlampe legt er im Dunkeln, wie vereinbart wieder neben den blue truck.

Der reiche Onkel alleine reicht noch nicht aus, ein 150‘000 Dollar teures SUV Gefährt mit 20 Zoll Rapper Aluminium-Felgen und Formel 1 Reifen auch nicht - ein bisschen Grips würde für die abendliche Fishing-Tour auch noch dazugehören. 

Schön, schön - schön doof, Mr. Latin Lover. 

    

1 Kommentar:

  1. Ein netter LL, netterweise legte er all das ausgeliehene zurück...echt nett;o)

    AntwortenLöschen