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Mittwoch, 18. Februar 2015

Ein Rückblick in die Schweiz - Oder nur ein Blick?

Vor rund zweieinhalb Jahren war ich für einen kurzen Stopp in der Schweiz, habe meine Reise unterbrochen und ein paar Wochen hier verbracht. Damals habe ich den folgenden Post auf meinem Blog veröffentlicht. Und jetzt, wo ich schon einige Wochen hier - daheim - bin, muss ich immer zu wieder daran denken. Hat er wirklich trotz der vergangenen Jahre nichts an Aktualität eingebüsst? Liegt vielleicht da der Hase im Pfeffer, dass ich mich irgendwie noch nicht so ganz richtig wieder an die Schweiz gewöhnen will und mir Zentral- und Südamerika gelegentlich doch ein bisschen fehlen. - Ich weiss es nicht, und bestimmt, bestimmt werde ich bald wieder ganz und gar in der Schweiz angekommen sein und mich auch wieder richtig daheim fühlen hier.


Na bitte! Da lächeln sie doch. - Auch in Zürich.


Mein Post vom 20. Oktober 2012: Werum sit ihr so truurig?

Zürich, Schweiz. Er sitzt in einem schwarz glänzenden Mercedes, die Krawatte sitzt so perfekt am gestärkten, weissen Hemdenkragen wie der Anzug über seine Schultern, einem sanften dunkelblauen Wasserfall gleichend, gleitet. Seine leicht grau melierten Haare sind perfekt gestylt und mit wenig Gel dynamisch nach hinten gekämmt. Seine Augen schauen traurig durch rahmenlose Brillengläser und die grosse Frontscheibe in der sich die seicht graue Bewölkung des herbstlichen Hochnebels spiegelt, seine Maulecken scheinen tiefer zu hängen als die Fensterkante der Seitenscheibe. Breit und flach wie eine zum Sprung bereite Albino Raubkatze steht ein schneeweisser Porsche vor ihm, eine aufwendig geschminkte und ebenso frisierte, attraktive blonde Frau, vielleicht Mitte vierzig sitzt im dunklen Buisnessanzug mit gekonnt arrangiertem Decolté im beigen Ledergestühl der flachen Flunder. Sie fuchtelt wild, sitzt alleine im Auto und doch ist ihr aufgeregtes Argumentieren bis durch die schall- und klimakontrollierten Scheiben hörbar. So sexy sie in ihrem Flitzer wirkt, so grimmig schaut sie drein, so killend sind ihre Blicke und fuchtelndend Gesten. Man(n) möchte nicht bei ihr im Porsche sitzen dürfen. In die Freisprechanlage ihres Businessflitzers muss sie schreien, denke ich mir, wie ich an der am Lichtsignal stehenden Kolonne vorbei schlendere. Ein schwarzer VW Golf des vorletzten Modells spiegelt sich im glänzend weissen Porsche, schwarz die Heck- und Seitenscheiben, schwarz und so riesig, dass das Auto einem Cartoon entsprungen zu sein scheint sind die Räder. Trotz des herbstlich frischen Zürcher Stadtmorgens, hängt aus dem Seitenfenster ein Arm an der Seite des Autos runter, ein Zigarettenstummel räuchelt zwischen Zeig- und Mittelfinger. Auf der Heckscheibe prangt ein Symbol so in der Art und Weise eines Arschgeweih Tattoos, wie sich die jungen Damen es zur Zeit grad wieder von ihren Gesässen weglasern lassen weil nicht mehr ganz so toll in Mode. Vor dem Golf steht ein oranger Lieferwagen, vom Bauamt oder einer Bauunternehmung. Bruchteile einer Sekunde scheinen zu vergehen, seit das Lichtsignal von rot auf orange, bald auf grün springt, schon ertönt ein Horn, es schnellt ein halber Oberkörper und ein kurz rasierter Kopf aus dem Golf "Scheisse Mann, pennsch oder was! Fahr Du Arsch, isch grüen Mann!" Der Diesel nagelt und die gestresste, traurige Karavanne zieht dem Lieferwagen folgend von dannen. 

Ich warte bis das Lichtsignal wieder rot schaltet und für mich als Fussgänger grün. Ein dunkler 5er BMW hält korrekt auf dem weissen Balken, nur das Auto ist anders, der traurig Typ hinter dem Lenkrad könnte mit dem Fahrer des Mercedes von eben ausgetauscht werden. Keiner würd's merken. Wie eine Elefanten Herde kommen mir die grau, in dunklem blau oder schwarz gekleideten Menschen über den Fussgängerstreifen entgegen. Als wär es eine Trauergesellschaft, als wäre Schmunzeln verboten, niemand lacht, jeder und jede lugt ernst, bisweilen traurig oder gar gehässig zwischen den hochgeschlagenen Kragenecken hevor. Der Tramstation entlang führt mich mein Weg und es scheint als träfe ich da auf die zweite Gruppe der Trauergesellschaft. 

Später am Tag, ich habe mich bei Orell Füessli mit ein paar noch fehlenden Karten und Reiseführern eingedeckt, kaufe ich mir eine Bratwurst am Stand beim Coop Warenhaus Sankt Annahof. Den Verkäufer hab ich freundlich gegrüsst, er hebt seinen Kopf leicht um mir zu deuten was ich wolle, meine Bratwurst vom Grill hab ich bestellt, das Geld exakt abgezählt bereit. Auf dem klassischen Kartönchen bekomme ich die Wurst, das Bürli hab ich mir durch das Loch im Plexiglasbehälter selbst gefischt. Und doch, der Herr kann sprechen: "Senf?" sagt er nämlich jetzt, "Ja gärn" ein Druck auf die Pumpe und ein lieblos hingepflättertes Pflotsch von Senf tropft über den Rand des Kartönchens. Mein "Dankä vielmal, ufwiederluegä" wird ausser von mir von niemandem wahrgenommen. Es gibt nur ein kleines Chromstahl Stehtischchen und ein an der Wand befestigtes, schmales Tablar das ein paar jungen Bänkern in Anzügen als Stehbar dient. "Döf i mich zu ihnä stellä?" frage ich die Endfünzigerin im Trenchcoat, die selbst grad ihre Bratwurst in einem Senffladen tunkt. Sie steht am Tischchen. Sie sagt nichts, hebt den Kopf leicht nach links und zieht billigend eine Braue hoch. Ich platziere mein Plastiksäckli aus dem Buchladen aufs Tischchen und mampfe genussvoll die Wurst. Die zwei Bänker scheinen unglücklich zu sein, der eine muss wohl schon fast dreissig sein, während der andere unwahrscheinlich jung, fast schon kindlich aussieht und in seinem dunklen Anzug mit den ein wenig zu langen Armen und den ein wenig zu heftig auf den Schuhen aufsitzenden Hosen aussieht wie die Burschen von den Zeugen Jehovas die früher ein, zwei Mal im Jahr an der Türe klingelten. Nur ein Unterschied, die haben immer gesmilt, fast schon krankhaft-freundlich-künstlich gegrinst. Grinsen tut hier keiner. Die beiden unterhalten sich angeregt über ihre Karriere und sind unzufrieden über schwindende Chancen durch anhaltende Restrukturierungen. Erst wie sie sich über potentielle Positionen unterhalten scheint ein bisschen Stimmung aufzukommen, über Verdienst- und Bonus-Möglichkeiten geht es, über Jobs als Kundenberater Ausland, über Junior Fond-Manager, Frust macht sich breit, die Deutschen und die Amis seien Schuld, dass die Chancen die noch vor Jahren bestanden im Auslandberatungsgeschäft satt zu verdienen nicht mehr bestehen. Die stumme Frau hat unterdessen einen Fluch ausgestossen, die Wurst verzehrt hat sie schon ihr Handtäschen umgehängt, bloss etwas stimmt an dem Bild nicht ganz, an ihrem Trenchcoat klebt das Senfkartönli. Unschön, ich reiche ihr ein paar meiner Papierservietten die sie mir mit einem Blick aus den Händen reisst, als hätte ich ihr den Senf an den Mantel gepappt. Weg ist sie. 

Die letzten rund 12 Monate meiner Reise, bevor ich in die Schweiz kam, war ich in Schwellen- und Entwicklungsländern unterwegs. Beinahe ausnahmslos sind mir die Leute freundlich, vor allem aber fröhlich begegnet. In den meisten Ländern kennen sie weder Gesundheits- noch Altersvorsorge, wohnen mit der ganzen Familie in einem Haus das meist aus nur einem Raum besteht. Erst die ein bisschen älteren Kinder, wenn sie nicht mehr so schnell wachsen, bekommen Schuhe, viele Menschen kommen aus einer jüngsten Geschichte von Bürgerkriegen, Folterungen, Mord und Todschlag in den Militärregimen der zentralamerikanischen Ländern. Die meisten Menschen Leben auch heute noch in Armut mit limitierten Möglichkeiten an Bildung zu kommen. Mehr als einmal werde ich von Frauen im Supermarkt gefragt was den die Sachen kosten würden, es ist angeschrieben auf dem Preisschild, bloss sie konnten nie zur Schule gehen, sie können den Preis nicht lesen. Und trotzdem, trotz diesen oft widrigen Lebensumständen, trotz der kompletten Absenz von Vorsorge und Versicherungen begegnen mir die Menschen meist fröhlich, freundlich. Selbst wenn ich mit dem Auto vorbeifahre, winken sie oft und lachen mir zu. Nicht ganz immer, nicht alle sind froh, nicht alle freundlich aber die Mehrheit ist es.

Was ist los mit uns in der Schweiz? Wieso sind wir so traurig? Wie ich in den vergangenen Wochen in der Schweiz unterwegs bin kommt mir immer wieder dieser Song von Mani Matter in den Sinn: "Werum sit dir so truurig?"* Wir haben doch alles, Krankenversicherung, Pension, Auto, Wohnung. War ich auch so bedrückt und traurig unterwegs als ich noch in der Schweiz gelebt und gearbeitet hatte? Vielleicht. Haben wir schon zu viel, hat der materielle Wohlstand in unserem Land einen solchen Schwall von Sorgen mit sich gebracht, wie finanziert man was? Wie bekommt man noch mehr? Besser, grösser, schneller? Oder sind es gerade all diese Dinge die einem traurig durch die Strassen spazieren und fahren lassen. Ich weiss es nicht und nie war es mir so augenfällig wie nach den vielen Monaten die ich im Ausland in zum Teil sehr armen Ländern verbringen durfte.


*leider fand ich im Web keine  Original Version von Mani Matter. Hier kommst Du auf YouTube zu einer sehr schönen Interpretation von Polo Hofer, seiner Schmetterbänd  und Franz Hohler am Cello.


Nichtsdestotrotz. Oder eben erst recht, eine kleine fotografische Hommage an meine geliebte Heimatstadt. Und mein Quartier, den einst so charmant verruchten, mit kleinen ausländischen Läden vollgestopften und heute ach so trendigen Kreis 5.



















Schön wieder hier zu sein!




Mittwoch, 2. Januar 2013

Das erste Rätsel 2013

Monteserrate vs. Üetliberg


Also mit dem ersten Rätsel in diesem Jahr mache ich es Dir nicht wirklich schwierig. Ist nun das erste Bild vom Monteserrate in Bogota oder das zweite vom Üetliberg in meiner Heimtstadt Zürich in der Schweiz? Übrigens, wenn Du auf die Bilder klickst, werden sie grösser dargestellt.


Wer findet es zuerst raus?

Samstag, 27. Oktober 2012

Plastik im Magen


Bestimmt hast Du auch schon über die Plastik-Inseln, welche auf unseren Ozeanen schwimmen sollen gelesen. Ob jene medienträchtigen Berichte über effektive Inseln mit Grössenvergleichen die von der grösse des US-Staates Texas bis zu ganz Europa hingehen stimmen wage ich zu bezweifeln, ich bin der Überzeugung, dass man eine solche schwimmende Insel auf Satelliten-Photos als solche erkennen könnte. Vielmehr schliesse ich mich der These des sich laufend in Kleinstteile zerkleinernden treibenden Plastikmülls an. Ein gigantischer Brei von sich zersetzenden Plastiks. Und eines kann ich nach meinen zwei Jahren Reisen die mich entlang der Strände und Küsten des Atlantiks, des Pazifiks, des Golfs von Mexico, des Golfs von Kalifornien und des Golfs von Alaska sowie in die Karibik führte beweisen. Die Strände sind voll von Müll, Plastikmüll im speziellen. Entsprechend kann ich mir gar nichts anderes vorstellen als dass der Plastikmüll sich binnen relativ kurzer Zeit durch Wellen, Gezeiten und Kollisionen zu kleinen und kleinsten Teilen zersetzt, die ihrerseits wieder in die Nahrungskette der Tiere gelangen und in der Folge in die unsere.


In der neuen Photo Galerie "Found at the Beach" kannst Du Dich überzeugen was da alles so im Meer treibt, am Strand angeschwemmt wird und schlussendlich, vielleicht in Deinem Magen landet. - En Guetä!


Willst Du mehr zum Thema wissen? Besuche die Austellung "Endstation Meer - das Plastikmüll Projekt" in Zürich, Hamburg oder einer der Tournee-Stationen. Hier kannst Du lesen was die NZZ zum Projekt schreibt. Oder Du kannst das Projekt der ZHDK auf facebook verfolgen. Lies zum Beispiel im NZZ Archiv von einem neu entdeckten Kontinenten oder den Artikel 46'0000 Plastikteile auf einen Quadratkilometer in der on-line Ausgabe von "Die Welt". Ein anderer Artikel in der NZZ berichtet über den Künstler Chris Jordan der das Thema der ganz kleinen und alltäglichen Umweltsünden künstlerisch zu nachdenklichen Projekten aufarbeitet. Oder informiere Dich was Wikipedia zum Thema meldet. Süddeutsche.de berichtet über Plastik im Magen. Und hier geht's direkt zum Report der Vereinten Nationen: UNEP.


So, jetzt fragst Du Dich was der da den ganzen Müll fotografiert und dann noch grosskotzig was in seinem Blog schreibt. Der würde besser den Müll einsammeln. Recht hast! Nicht immer aber ab und zu habe ich einen Versuch gemacht, nach wenigen Minuten hatte ich aber mehr Plastikmüll-Mülltaschen gefüllt als ich tragen konnte oder mehr Müll an einem Haufen zusammengetragen als ich im blue truck mitnehmen und irgendwo hätte entsorgen können. - Traurig.



Eine Lösung hab' ich Dir nicht. Was ich Dir rate ist, überleg Dir jedesmal wenn Du eine Plastiktasche angeboten bekommst: Brauch ich die wirklich? Muss es am Grillfest Plastikteller und Plastikbesteck geben? Gibt es Deinen Drink auch in einer einfacher rezyklierbaren Glasflasche? In den meisten Ländern in denen ich unterwegs war, selbst in den USA wird der Abfall nicht oder nur teilweise verbrannt sondern vielmehr in Deponien entsorgt. Das Risiko, dass der Plastikmüll so von Wind und Wasser davongetragen und schlussendlich eben doch wieder im Meer landet ist entsprechend gross. Geschätzte 80% des Plastiks in den Ozeanen stammt vom Fest- und Binnenland und ist nicht ursprünglich im Meer entsorgt worden. Nur wenn wir die gesamte Menge an Plastikmüll reduzieren, können wir auch dem Plastik in unserem Magen vorbeugen. 



Danke, dass Du mithilfst!







Samstag, 20. Oktober 2012

Werum sit dir so truurig?

Zürich, Schweiz. Er sitzt in einem schwarz glänzenden Mercedes, die Krawatte sitzt so perfekt am gestärkten, weissen Hemdenkragen wie der Anzug über seine Schultern, einem sanften dunkelblauen Wasserfall gleichend, gleitet. Seine leicht grau melierten Haare sind perfekt gestylt und mit wenig Gel dynamisch nach hinten gekämmt. Seine Augen schauen traurig durch rahmenlose Brillengläser und die grosse Frontscheibe in der sich die seicht graue Bewölkung des herbstlichen Hochnebels spiegelt, seine Maulecken scheinen tiefer zu hängen als die Fensterkante der Seitenscheibe. Breit und flach wie eine zum Sprung bereite Albino Raubkatze steht ein schneeweisser Porsche vor ihm, eine aufwendig geschminkte und ebenso frisierte, attraktive blonde Frau, vielleicht Mitte vierzig sitzt im dunklen Buisnessanzug mit gekonnt arrangiertem Decolté im beigen Ledergestühl der flachen Flunder. Sie fuchtelt wild, sitzt alleine im Auto und doch ist ihr aufgeregtes Argumentieren bis durch die schall- und klimakontrollierten Scheiben hörbar. So sexy sie in ihrem Flitzer wirkt, so grimmig schaut sie drein, so killend sind ihre Blicke und fuchtelndend Gesten. Man(n) möchte nicht bei ihr im Porsche sitzen dürfen. In die Freisprechanlage ihres Businessflitzers muss sie schreien, denke ich mir, wie ich an der am Lichtsignal stehenden Kolonne vorbei schlendere. Ein schwarzer VW Golf des vorletzten Modells spiegelt sich im glänzend weissen Porsche, schwarz die Heck- und Seitenscheiben, schwarz und so riesig, dass das Auto einem Cartoon entsprungen zu sein scheint sind die Räder. Trotz des herbstlich frischen Zürcher Stadtmorgens, hängt aus dem Seitenfenster ein Arm an der Seite des Autos runter, ein Zigarettenstummel räuchelt zwischen Zeig- und Mittelfinger. Auf der Heckscheibe prangt ein Symbol so in der Art und Weise eines Arschgeweih Tattoos, wie sich die jungen Damen es zur Zeit grad wieder von ihren Gesässen weglasern lassen weil nicht mehr ganz so toll in Mode. Vor dem Golf steht ein oranger Lieferwagen, vom Bauamt oder einer Bauunternehmung. Bruchteile einer Sekunde scheinen zu vergehen, seit das Lichtsignal von rot auf orange, bald auf grün springt, schon ertönt ein Horn, es schnellt ein halber Oberkörper und ein kurz rasierter Kopf aus dem Golf "Scheisse Mann, pennsch oder was! Fahr Du Arsch, isch grüen Mann!" Der Diesel nagelt und die gestresste, traurige Karavanne zieht dem Lieferwagen folgend von dannen. 

Ich warte bis das Lichtsignal wieder rot schaltet und für mich als Fussgänger grün. Ein dunkler 5er BMW hält korrekt auf dem weissen Balken, nur das Auto ist anders, der traurig Typ hinter dem Lenkrad könnte mit dem Fahrer des Mercedes von eben ausgetauscht werden. Keiner würd's merken. Wie eine Elefanten Herde kommen mir die grau, in dunklem blau oder schwarz gekleideten Menschen über den Fussgängerstreifen entgegen. Als wär es eine Trauergesellschaft, als wäre Schmunzeln verboten, niemand lacht, jeder und jede lugt ernst, bisweilen traurig oder gar gehässig zwischen den hochgeschlagenen Kragenecken hevor. Der Tramstation entlang führt mich mein Weg und es scheint als träfe ich da auf die zweite Gruppe der Trauergesellschaft. 

Später am Tag, ich habe mich bei Orell Füessli mit ein paar noch fehlenden Karten und Reiseführern eingedeckt, kaufe ich mir eine Bratwurst am Stand beim Coop Warenhaus Sankt Annahof. Den Verkäufer hab ich freundlich gegrüsst, er hebt seinen Kopf leicht um mir zu deuten was ich wolle, meine Bratwurst vom Grill hab ich bestellt, das Geld exakt abgezählt bereit. Auf dem klassischen Kartönchen bekomme ich die Wurst, das Bürli hab ich mir durch das Loch im Plexiglasbehälter selbst gefischt. Und doch, der Herr kann sprechen: "Senf?" sagt er nämlich jetzt, "Ja gärn" ein Druck auf die Pumpe und ein lieblos hingepflättertes Pflotsch von Senf tropft über den Rand des Kartönchens. Mein "Dankä vielmal, ufwiederluegä" wird ausser von mir von niemandem wahrgenommen. Es gibt nur ein kleines Chromstahl Stehtischchen und ein an der Wand befestigtes, schmales Tablar das ein paar jungen Bänkern in Anzügen als Stehbar dient. "Döf i mich zu ihnä stellä?" frage ich die Endfünzigerin im Trenchcoat, die selbst grad ihre Bratwurst in einem Senffladen tunkt. Sie steht am Tischchen. Sie sagt nichts, hebt den Kopf leicht nach links und zieht billigend eine Braue hoch. Ich platziere mein Plastiksäckli aus dem Buchladen aufs Tischchen und mampfe genussvoll die Wurst. Die zwei Bänker scheinen unglücklich zu sein, der eine muss wohl schon fast dreissig sein, während der andere unwahrscheinlich jung, fast schon kindlich aussieht und in seinem dunklen Anzug mit den ein wenig zu langen Armen und den ein wenig zu heftig auf den Schuhen aufsitzenden Hosen aussieht wie die Burschen von den Zeugen Jehovas die früher ein, zwei Mal im Jahr an der Türe klingelten. Nur ein Unterschied, die haben immer gesmilt, fast schon krankhaft-freundlich-künstlich gegrinst. Grinsen tut hier keiner. Die beiden unterhalten sich angeregt über ihre Karriere und sind unzufrieden über schwindende Chancen durch anhaltende Restrukturierungen. Erst wie sie sich über potentielle Positionen unterhalten scheint ein bisschen Stimmung aufzukommen, über Verdienst- und Bonus-Möglichkeiten geht es, über Jobs als Kundenberater Ausland, über Junior Fond-Manager, Frust macht sich breit, die Deutschen und die Amis seien Schuld, dass die Chancen die noch vor Jahren bestanden im Auslandberatungsgeschäft satt zu verdienen nicht mehr bestehen. Die stumme Frau hat unterdessen einen Fluch ausgestossen, die Wurst verzehrt hat sie schon ihr Handtäschen umgehängt, bloss etwas stimmt an dem Bild nicht ganz, an ihrem Trenchcoat klebt das Senfkartönli. Unschön, ich reiche ihr ein paar meiner Papierservietten die sie mir mit einem Blick aus den Händen reisst, als hätte ich ihr den Senf an den Mantel gepappt. Weg ist sie. 

Die letzten rund 12 Monate meiner Reise, bevor ich in die Schweiz kam, war ich in Schwellen- und Entwicklungsländern unterwegs. Beinahe ausnahmslos sind mir die Leute freundlich, vor allem aber fröhlich begegnet. In den meisten Ländern kennen sie weder Gesundheits- noch Altersvorsorge, wohnen mit der ganzen Familie in einem Haus das meist aus nur einem Raum besteht. Erst die ein bisschen älteren Kinder, wenn sie nicht mehr so schnell wachsen, bekommen Schuhe, viele Menschen kommen aus einer jüngsten Geschichte von Bürgerkriegen, Folterungen, Mord und Todschlag in den Militärregimen der zentralamerikanischen Ländern. Die meisten Menschen Leben auch heute noch in Armut mit limitierten Möglichkeiten an Bildung zu kommen. Mehr als einmal werde ich von Frauen im Supermarkt gefragt was den die Sachen kosten würden, es ist angeschrieben auf dem Preisschild, bloss sie konnten nie zur Schule gehen, sie können den Preis nicht lesen. Und trotzdem, trotz diesen oft widrigen Lebensumständen, trotz der kompletten Absenz von Vorsorge und Versicherungen begegnen mir die Menschen meist fröhlich, freundlich. Selbst wenn ich mit dem Auto vorbeifahre, winken sie oft und lachen mir zu. Nicht ganz immer, nicht alle sind froh, nicht alle freundlich aber die Mehrheit ist es.

Was ist los mit uns in der Schweiz? Wieso sind wir so traurig? Wie ich in den vergangenen Wochen in der Schweiz unterwegs bin kommt mir immer wieder dieser Song von Mani Matter in den Sinn: "Werum sit dir so truurig?"* Wir haben doch alles, Krankenversicherung, Pension, Auto, Wohnung. War ich auch so bedrückt und traurig unterwegs als ich noch in der Schweiz gelebt und gearbeitet hatte? Vielleicht. Haben wir schon zu viel, hat der materielle Wohlstand in unserem Land einen solchen Schwall von Sorgen mit sich gebracht, wie finanziert man was? Wie bekommt man noch mehr? Besser, grösser, schneller? Oder sind es gerade all diese Dinge die einem traurig durch die Strassen spazieren und fahren lassen. Ich weiss es nicht und nie war es mir so augenfällig wie nach den vielen Monaten die ich im Ausland in zum Teil sehr armen Ländern verbringen durfte.


*leider fand ich im Web keine  Original Version von Mani Matter. Hier kommst Du auf YouTube zu einer sehr schönen Interpretation von Polo Hofer, seiner Schmetterbänd  und Franz Hohler am Cello.


Samstag, 11. August 2012

Street Parade oder ohne Unterhose durch Nicaragua

Heute ist in meiner Heimatstadt Zürich die weit über die Schweizer-Grenze hinaus begeehrte Street Parade. Sozusagen nach dem Sechseläuten der Züricher zweite Fasnacht. Dann wird in der grössten Stadt der Schweiz nicht nur noch mehr Hochdeutsch gesprochen als unter'm Jahr ohnehin sondern auch richtig abgetanzt, verkleidet und gefeiert. Und als aufmerksame Blogleserin oder als aufgeweckter Blogleser, da weisst Du, dass ich sozusagen meine eigene Street Parade hier feiere und in den vergangenen Tagen schwuppsdiwupp durch vier zentralamerikanische Länder über die Streets gerauscht bin. 

Zwischen Country Music, Radio-Prediger oder Radio-Prediger und Country Music kannst Du zum Beispiel wählen, wenn Du in Texas oder Arizona fährst. Zwischendurch vielleicht mal noch eine sehr weit rechts positionierte politische Sendung. - Genau! Wenn immer ich auf meiner Reise etwas im Radio empfange, dann höre ich lokale Radiosender. Und auch wenn das kaum ein Texaner wirklich schätzen würde aber zwischen Nicaragua und Texas gibt es da Parallelen, es gibt sie auch, die Radio-Prediger, dann gibt es aber glatt weg noch zwei weitere Möglichkeiten, die eine sind Hispanische Schlager, die tönen so jammerig und immer gleich wie die Country Musik im Südwesten der USA und dann, dann gibt es in Nicaragua Dance Music, oder heisst das House? Boah, ich werde alt. Auf jeden Fall, das ist für die Express-Fahrt durch das Land genau das richtige, ein bisschen Speed aus dem Lautsprecher. Also tune ich meinen Radio auf einen solchen Sender, da gibt es zwischendurch einen Kommentator oder ich glaube es ist eine ganze Menge Kommentatoren im Radio, also die reden nicht, die schreien richtig gehend ins Mic. Ich glaubte langsam ginge das mit meinem Spanisch, aber kein Wort, ich verstehe kein Wort. Aber da wird auch nicht wirklich viel gesprochen also eigentlich eben gesprochen überhaupt nicht sondern geschrien. Aber auch das nicht viel. Meist läuft da eben Music, meist die selbe. Und ich der ich mit Beatles, Status Quo, Rolling Stones, Abba, den Eunuchen Gesängen von Bee Gees und in ganz frühen Jahren nicht freiwillig mit Heintje und Heino aufgewachsen bin, kenne diese Musik nicht. Aber den Text, den höre ich mir mit grossem Interesse an und die Beats sind auch für einen musikalischen Spastiker wie mich leicht zu verstehen.

Also das geht so "Bumbum-Tschtsch-Bumbum-Tschtsch-Bumbum, All day, all night..." dazu singt eine Frauenstimme von einer Reise nach Spanien "...Bumbum-Tschtsch-Bumbum-Tschtsch-Bumbum, Johnny, Bumbum-Tschtsch-Bumbum-Tschtsch-Bumbum... la gente esta muy loca..." klar dann wieder Bumbum etc, "...What the fuck..." und das geht so für die halbe Fahrt durch Nicaragua, für die andere Hälfte, da kommt dasselbe Bumbum-Tschtsch-Bumbum aber dazu singt die Dame wieder und wieder und wieder, "...last night I lost my underwear, but last night, last night, last night, what you think I don't care, I lost my underwear and I don't care..". oder so ähnlich. Und das scheinen dann eigentlich die einzigen zwei Stücke zu sein die diese Radiostation auf der Playlist hat, also es gibt dann noch beides zusammen gemixt zur Abwechslung und so höre ich mit den entsprechenden Beats bis zur Grenze nach Honduras etwas von verlorenen Unterhosen und bin nach Stunden fahren so in dem Beat drin, dass ich vor der Grenze fast gucken muss, ob ich nicht meine Unterhose verloren hab unterwegs.  

Und so habe ich in Nicaragua in meinem hohen Alter auch noch reichlich was von House oder Dance oder was auch immer für unterhosenloser Music mitbekommen, die mich im Nu bis nach Honduras brachte. Dort gab's dann wieder Prediger (hoffentlich mit) und Hispano-Schlager, kein House.  

In diesem Sinne wünsche ich allen Züricherinnen und Zürchern und den zusätzlichen 900'000 Tausend Besuchern eine gefreute Bumbum-Tschtsch Street Parade, mit oder ohne Unterhosen. 

PS: Google sei dank, so hab ich herausgefunden, wie der in Nicaragua so populäre DJ heisst und so findest Du via Link direkt zu den verlorenen Unterhosen.