Montag, 20. Mai 2013

Die Beförderung

Kannst Du Dich noch an Deine allererste Beförderung erinnern? Heute lässt Du Dich wohl fast täglich befördern, an Arbeitstagen jedenfalls. Du pendelst. An welchen Tagen sonst, als an Arbeitstagen könnte eine Beförderung dienlich sein? Vielleicht steigst Du noch Treppen, vielleicht bist Du so hastig unterwegs wie ich vor meiner Reise-Aus-Zeit und steigst selbst dort Treppen wo Du eigentlich ganz von selbst, eben, befördert wirst. 

Vor einiger Zeit war ich in der ecuadorianischen Stadt Cuenca in einem gigantischen Supermarkt zum Einkaufen. Da konntest Du von der Auswuchtmaschine für die Räder Deines vierräderigen Lieblings bis zur Lisa für Deinen zweibeinigen Liebling alles kaufen. So gross war der Laden. So gross notabene, dass er nicht auf nur einem Geschoss, der schon fast US amerikanischen Ausmasse annehmenden River Mall Platz hätte finden können. Ergo müssen die Kunden von Süssgetränken und Hühnerbeinchen zu Bettwäsche und Waschmaschinen befördert werden. - Richtig, per Rolltreppe.

Zu beeindruckt von der windschnittigen Form des eierschalen-dunkelroten TEE mit seiner tropfenförmigen Schnauze und den drei rundlichen Frontscheiben, mit je einem verchromten Scheibenwischer, der jeweils mitten in der Scheibe zu stehen schien und den rot-weissen Doppelleuchten die wie Stilaugen aus den Rundungen stierten, wie er da auf dem Stumpengleis des Zürcher Hauptbahnhofes stand, musste ich gewesen sein. Vielleicht war es auch der pastell gelbe Jagaur E-Type mit seiner, im Verhältnis zu meiner knirpsigen Grösse, unendlich langen Schnauze und den im Leerlauf, von der Politesse auf der runden, blau-weiss gestreiften Kanzel gestoppten, scheinbar friedlich aber zum Sprung bereiten, dampfenden Auspuffrohre oder wo möglich doch nur und erst recht der hellgelbe knapp knielange farbig beblumte Rock der jungen Dame die neben mir auf den ersten Tritt der Rolltreppe trat und flux in höhrere Gefielde zu entwischen drohte während ich noch vorsichtig mein kleines Füsschen auf die endlos wiedererscheinenden gerippten Stufen stellte, dass ich mich nicht an mein allererstes Rolltreppen Erlebnis erinnern kann. Begeistert von der Technik die mir da in einem Fort, für mich ein bisschen gar schnell, einen um den anderen Tritt lieferte, stellte ich den einen Fuss drauf, zog ihn kurz zurück und gepaart vom festen Griff vom Grossmami oder Mami an der Hand und der Gewissheit, dass es schon irgendwie gehen würde schien mir mein linkes Bein so ganz von alleine davon zu fahren. Keine Chance, der Rest meines kleinen Körpers musste mit. Und wie man da so mit beiden Füssen auf dem Ding steht, scheint alles ganz ruhig zu werden, der Puls ruhiger, alles geht - buschstäblich - von selbst. Die kopflosen Schaufenster-Puppen in ihren 60er Jahre Kleidern werden kleiner im sich entfernenden Stockwerk, so wie das Ende der Rolltreppe naht und die Nerven des Knirpses schon wieder anspannen lässt. Jetzt heisst es einen nach dem anderen, dieser kleinen Füsse anheben und flink von automatischer Beförderung zu manueller, doch eben auch erst vor Monaten gerlernten, Fortbewegung wechseln. Da musst Du einfach durch, anders kamst Du weder in die Spielwaren Abteilung der Warenhäuser noch zur Schwarzwäldertorte mit Deinem Grossmami. Die Cafés in den  Warenhäusern waren nämlich schon damals im obersten Geschoss angesiedelt so, dass Du nicht nur an Mannequins in oberschenkellangen schicken Frauenkleider vorbeigeschleust wurdest, sondern auch an eben so kopflosen Herren in gerippten beige-braunen Manchester-Anzügen mit, was mir immer äusserst seltsam erschien, schon ganz neu, mit aufgenähten Flicken auf den Ellenbogen, dazu trugen die Typen gemusterte Hemden und schmale zum Teil so irgenwie gestrickt wirkende, Krawatten mit eigenartig stumpfem Ende. So oder so, es gab auf diesen frühen Ausflügen an der Hand von Mutter oder Grossmutter viel zu viel zu sehen und zu entdecken, als dass sich mein erster "Ride" auf einem dieser fantastischen Dinger zur Beförderung für immer in Erinnerung hätte brennen können.

Nun, man sucht sich ja nicht aus, wo man geboren wird und aufwächst. Bestimmt wäre meine erste Rolltreppenbeförderung ein anders Ding, wenn ich die in Cuenca im besagten Shopping Center erlebt hätte. Da stehe ich nun, hinter einer ganzen Sippe, während einige Teenageburschen schon grinsend in die Höhe schwirren, steht vor mir eine ganze Gruppe fülliger Damen verschiedensten Alters und ein Herr Ende fünfzig. Sie kichern verlegen, drücken die Vorderste ein bisschen von hinten, während sich die Burschen oben alle umgedreht haben und in einer für mich unverständlichen Sprache motivierend auf die Señoras einreden, genau wie ich vor 43 oder so Jahren, stellen sie langsam den einen Fuss auf die endlos erscheinenden Treppenstufen, ziehen ihn dann kurz zurück, lachen, kichern verlegen. Mit den Händen wird am wulstig gummigen Handlauf erneut und erneut nachgefasst. Die Jungen Burschen sind nur noch wenige Meter vom Ende ihrer Beförderung entfernt, sie scheinen die Gruppe zu motivieren. Auch zu ermahnen, da sei noch einer, der wolle auch. Mit einem herzhaften Schritt tritt die Erste, vielleicht dreissig jährige Frau, auf den nächsten hervorschnellenden Tritt und zieht flux, die Luft anhaltend, ihr rechtes Bein nach. Dann geht alles ganz schnell, die Knaben sind schon oben und warten links und rechts der Beförderungsmaschinerie auf den Rest der Familie, als sich keine mehr die Blösse geben will, wie die erste da schallend lachend in die Höhe gehievt wird. Eine um die andere besteigt die automatischen Stufen, genau wie ich, der ihnen dicht folgt, erst kurz vor dem "Aussteigen" muss ich noch ein paar Tritte rückwärts machen, die eine oder andere braucht einen zweiten Anlauf um auch wieder festen Boden unter die Füsse zu bekommen und den Ausstieg zu schaffen. 

Ein eigenartiger und doch wie ich hier in Südamerika unterwegs bin auch ein ganz normaler, von Verständnis geprägter Gedanke, zum ersten Mal im Leben eine Rolltreppe als längst erwachsener Mensch zu benützen. 

1 Kommentar:

  1. Supi-cool, extrem-interessant und wie geng, ober-witzig geschrieben!

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