19. November 2014 …als der Wecker mich aus dem
Traum reisst. Frühstück, Kaffee, eine erfrischende Dusche das muss es sein was
ich gesucht habe, ist mein erster verschlafener Gedanke. Der
Traum, gestern Nacht, weisst noch?
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Ein stetes Reinraus-Reinraus am 3. Tag |
Ein Blick aus dem Kabinenfenster
verrät den Wetterwechsel. War es gestern Abend noch schwül warm, so landen jetzt
die Regentropfen vom Wind getrieben lautlos auf der dicken Kabinenscheibe. Die
leichten kaum spürbaren Vibrationen der Hilfsmotoren lassen die Tröpfchen
unmittelbar nach der Landung auf dem Glas nervös zittern, sich mit zwei, drei
Kumpanen zusammenzuschliessen um gemeinsam der Scheibe entlang runter zu sausen
und sich auf dem Messingrahmen mit wieder solchen Tropfen zu Teams und zu kleinen
Bächlein zu vereinen.
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Drinnen bei Regen |
Auf Deck haben sich grosse
Pfützen gebildet. Es regnet nur kurz heftig, lässt sich aber dann fast den
ganzen Tag auf ein leichtes Regnen ein. Gelegentlich, wenn die Sonne sich durch
das Grau zu behaupten versucht, mach ich mich auf rauf Deck um dem Treiben der
Be- und Entladung zu zuschauen. Auf einem Platz der gestern noch leer stand
stehen heute eine Menge neuer Audis in Reih und Glied, die Audis sind alle über
Motorhaube und Dach und am oberen Teil der Türen und Seiten mit weissem Plastik
verklebt, was ihnen unabhängig ihrer Farbe eine eigenartige Einigkeit verleiht
und es schwierig macht die verschiedenen Modelle und Typen zu erkennen. Ein
einziger mächtiger Q7 und ein weisses A4 Cabrio stechen aus der Masse der A1,
A3 und Q3’s die kaum zu unterscheiden sind heraus. An die Audis reihen sich
einige millimetergenau auflinierte Ford Transit Busse, alle weiss mit
tiefschwarz getönten Seitenscheiben.
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Arbeiten an Deck im Nieselregen |
Die Autos müssen über Nacht aus dem Grande
Francia Bauch gerollt sein. Auch die Schlange der gau-grünen Drescher ist viel
länger geworden als sie noch gestern Nacht war. Vorne auf dem offenen Deck
werden Container umgelagert, oder hochgefahren und von einem grossen roten
Container Stapler gepackt und aufeinander geschichtet. Alles scheint relativ
geruhsam und ohne viel Hektik abzulaufen. Auf- und Abladen passieren parallel
und es wird immer mal wieder was rausgekarrt während eine endlos scheinende
Reihe von Fiats und VW Pick-Ups in grossen Abständen ins Schiff rollt.
Eigenartig, obwohl ich hier an
Board nicht wirklich was zu tun habe, vergehen die Stunden seltsam schnell.
Schon ist wieder Zeit zum Essen, diesem feinen mehrgängigen italienischen Menu.
Während sich die anderen Passagiere bei jedem Essen über die Reichlichkeit
desselben auslassen und erstaunlicherweise doch immer fast jeden Gang mit- und
aufessen, geniesse ich es einfach. Auf die Linie gucken kann ich dann daheim
wieder. Gelegentlich gibt mir das ständig gleiche Thema schon fast ein bisschen
auf den Sack. Der eine erzählt, dass er daheim kaum Fleisch esse, während er
sich ein Stück Kalbs-Blätzli in den Mund stopft, erklärt er wie wenig der
Körper Fleisch brauche und überhaupt. Eben, das Essen ist wirklich gut und
ebenso reichlich wie gut.
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Der Nachmittag verläuft wenig
anders als der Vormittag, ausser dass wir uns noch ein bisschen im bordeigenen
„Fitness-Raum“ versuchen. Ein Stepper, ein Laufband, eine Sprossenwand, eine
Rudermaschine und ein Velo kreisen einen in der Mitte stehenden
Tischtennis-Tisch ein. Na das ist doch schon mal gar nicht schlecht denke ich.
Ursi stellt sich aufs Laufband und sprintet los, ich setzte mich auf die
Rudermaschine, die quietschend und kreischend mehr oder weniger funktioniert.
Mattieu und Gwen, die Land Rover Crew aus der Normandie gesellen sich alsbald
zu uns, nach ein bisschen Ping-Pong stellt sich Gwen auf den Stepper und
Mattieu versucht sich an den Gewichten. Ein eigenartiges Quietsch- und
Klapperkonzert wird von den verlotterten Sportgeräten gekreischt. Aber ohnehin
bin ich der einzige der das wahrzunehmen scheint. Alle anderen haben ihre iPod
Zäpfchen in den Ohren. Einen wunderbaren blauen See stell ich mir vor, mit
Bäumen und gelben Rapsfeldern während ich der grauen Wand im fensterlosen Raum
entgegen rudere. Der Wechsel aufs Velo ist von kurzer Freude. Eine kleine
Öllache unter dem Hometrainer lässt schon erahnen, dass da was nicht zum Besten
steht mit der Maschine. Bei jeder Umdrehung der Pedale scheinen diese kurz vor
dem oberen Totpunkt zu klemmen, ich drück ein bisschen an den Programmen rum,
kaum eine Veränderung. Wie ich den Strom ganz abhänge geht es besser aber halt
praktisch ohne Wiederstand. Sozusagen den Wind im Rücken. Nach dem
Wiederanschliessen geht alles gut für fünf Umdrehungen oder so. Ein bisschen
wenig um fit zu werden, oder was denkst Du? Ich wär ja nicht ein alter Mech,
wenn ich nicht versuchen würde das Ding in Gang zu bringen. Bewaffnet mit dem
Schweizer-Sackmesser kehre ich wieder zurück in den Fitnessraum, nur um
festzustellen, dass die Gehäuseschrauben dermassen tief im Gehäuse versenkt
sind, dass der Sackmesserschraubenzieher nie und nimmer bis zur Begrüssung der
Schräubchen vorstossen kann. Ich häng den Strom nochmals ab und tret‘ halt mal
ein bisschen in die Pedale bis sich das ganze Ding so verharzt, dass ich keine
Umdrehung mehr hinkriege. Ein bisschen Übungen mit den Gewichten und gut ist
für heute.
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Der Regen hat nachgelassen und
auch wenn mir scheint ich hätte eben erst zu Mittag bekommen, ist schon bald
wieder Zeit fürs Abendessen. Nach der Dusche genehmige ich mir ein Bierchen zum
Apero und schaue dem Treiben unten auf der Rampe zu. Zwischen den vielen Fiat
und VW’s rollen jetzt auch ein halbes Dutzend Audis verschiedener Modelle an,
zweien geht noch bevor sie auf dem Schiff sind der Sprit aus. Die leeren da
wohl nach der Produktion nur einen Fingerhut voll Treibstoff rein. Die
Hafenfahrer stehen neben den neuen weiss verklebten Autos und warten, rauchend
und gelangweilt, bis ein Pick-Up Truck mit einem Tank auf der Ladefläche
anbraust, der Fahrer steigt aus, schüttelt Händchen und nach ein bisschen
plaudern pumpt er ein paar Schlucke Treibstoff in eine schmutzige rote
Giesskanne. Nach langem gemeinsamen rumsuchen und rumdrücken springt der
Tankdeckel endlich auf. Die Kanne ergiesst sich in den Tank. Des Audis Herz erwacht
zu neuem kurzem Leben. Beim nächsten Wagen weiss der Betanker schon wie er den
Tankdeckel öffnen muss. Das ist gut, so bleibt ein bisschen mehr Zeit mit dem
Fahrer zu plaudern. Die letzten zwei Audis stehen noch auf der Rampe, da kommen
die ersten schon wieder raus und nach und nach rollen alle sechs wieder vom
Dampfer, da ist wohl was schief gelaufen mit der Logistik.
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Nach dem Abendessen werden viele
rechtsgelenkte VW Pick-Ups aufgeladen, ich vermute die werden an Bord bleiben,
bis das Schiff in Tilbury in England anlegt. Oder werden die gar irgendwo
wieder abgeladen und von einem anderen Schiff nach Indien, Australien oder
sonst in eines der Länder geschippert wo man noch immer dem Fahren auf der
verkehrten Seite frönt? Ich bleibe an Deck bis sich die Sonne hinter den
imposanten riesigen Parkflächen der Neuwagen verdrückt. Zeit auch für mich,
mich zu verdrücken, in meine Koje.
Maschinen und Fahrzeuge die mit der Grande Francia nach Argentinien kamen.
Fleissiges Arbeiten auf dem Cargo Deck.
Riesige Maschinen stellen die Grössen an Bord ins richtige Licht
Die Sonne setzt versinkt am Horizont von Zarate, hunderte von Fiats und VWs sind aufgeladen, Landmaschinen und Audis kamen von Bord.
...und mittendrin ein blauer Truck der schon soooooo viel mehr erlebt hat als all diese Grünschnäbel direkt ab dem Förderband ....
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