Na also, das ist doch allerhand, als hättest Du nicht genug um die Ohren an diesem Heilig Abend, kommt auch jetzt endlich wieder Bewegung in den blue truck blog. Eine neue Serie, das Grimaldi Tagebuch: Ich nehme Dich mit an Bord eines 214 Meter langen und 34 Meter breiten Frachtschiffes der italienischen Grimaldi Reederei. Mit diesem Schiff ging es nämlich ganz gemütlich und während über vier Wochen von Uruguay in Südamerika, via Afrika zurück nach Europa. Interessiert es Dich, wie das Leben an Bord eines Frachtschiffes so abläuft, was in Dakar, Senegals grösstem Hafen so passiert, was gibt's zu Essen, wie sehr schaukelt es? All dies und noch vielmehr erfährst Du, wenn Du jetzt mit mir an Bord der Grande Francia steigst und die nächsten Wochen immer mal wieder hierher kommst, auf den blue truck blog.
AHOI! - Einsteigen und los geht es. Ab an Bord!
17. November 2014: Schweizer Armee Training nützt ganz unerwartet doch noch was
Abschied von Heinz & Silvia |
„Thomas – Thomas“ höre ich
draussen vor dem Auto Silvia, unsere Gastgeberin auf dem Camping Suizo rufen.
„Ja, guetä Morgä Silvia!“ rufe ich aus dem Bett herunter. „Ihr müesst los, die
erwartä üch am zähni in Montevideo“ – „Ohuu, ja mir chömmet grad abä…“ – „Kei
Stress“ lacht Sivlia und marschiert von dannen. Das Internet hatte uns noch
gestern verraten, dass „unser“ Schiff, die Grande
Francia bereits in Montevideo vertäut am Hafen liegt. Wir wunderten uns,
dass Alexandra von der Grimaldi Agentur uns noch immer erst auf den 18.
November nach Montevideo bestellt hatte. Aber wir genossen die Zeit so sehr im
Paraiso Suizo, dass wir die Info gerne, wenn auch leicht zweifelnd
akzeptierten. Noch ein Tag, richtig gemütlich bei prächtigem Wetter alles
zusammenpacken, noch ein bisschen was im Internet machen, sich noch per Mail
bei Freunden und Familie vorerst mal aus Südamerika verabschieden, hättest Du
etwas gegen einen so gemächlichen Aufbruch? Und vor allem, noch ein Abend
prächtig essen und noch prächtiger trinken bei Silvia und Heinz. Eben. Und
eben, es kommt anders.
Unser Camp im Paraiso Suizo |
So läuft das, so haben wir locker
mit 24 Stunden mehr gerechnet fürs Zusammenpacken. Und sag nicht, das wär bei
Dir anders und Du hättest das alles so perfekt im Griff, das Ding mit dem
Zusammenpacken. Irgendwie immer last Minute, irgendwie geht das einfach nicht,
dass man schon so wirklich vorher. So ein bisschen schon, so ein wenig hier und
da, aber da hast Du ja doch immer diese Sachen, die ja dann mit in die
Schiffskabine müssen und die besser mal noch nicht zu tief verstaut werden. Dies
das Du halt noch brauchst und jenes, das noch vom einen ans andere Ort
geschoben wird. Und der Kocher und da willst doch auch am letzten Tag noch
schnell ein Käfeli machen und überhaupt. Also Pfannen schon in die Kiste, aber
Mokka-Kanne muss ja auch dort rein. Tassen auch. Also doch noch nicht verstaut.
Geplant oder nicht, jetzt geht es
schnell. Wir sind fast schneller geduscht als dass das Wasser durch die
Mokka-Maschine auf dem Coleman-Kocher dampft und Kaffee zu produzieren vermag.
Und dann geht eins nach‘em anderen, trotzdem, es dauert gut und gerne zwei
Stunden, bis wir alle Dächer eingerollt, das Velo zusammengeklappt und
festgezurrt und einfach alles drin und dran haben.
Ex-Dakar Racer von Claude & George |
Haben die über zwei Wochen
Standzeit der 4.2 Liter Maschine des Toyotas das Anspringen vermiest? Jetzt
dreh ich gleich den Schlüssel und der erwacht nicht zum Leben, meine Gedanken
beim Vorglühen des Diesels. Ne, zum Glück nicht, ein kurzer Klack des Anlassers
und der Diesel nagelt. Der knurrt sich nun im Leerlauf langsam warm, während
wie uns von Heinz und Silvia unseren ach so netten Gastgebern und von Oli und
Viola die vor zwei Tagen angekommen sind verabschieden. George und Claude haben
ihren ex-Dakar Race-Lastwagen bereits Abfahrtsbereit auf der Ausfahrt
platziert. Auch sie werden Goodbye geküsst. Ein kurzes letztes Winken. Auf
geht’s! Es ist unterdessen halb elf gewesen.
Ich stell mir die ganze
Einschiffung ein bisschen wie Schweizer Militärdienst vor. „Secklä – Wartä –
Secklä – Wartä – Secklä as chasch wartä…“ trotzdem, zu spät bin ich nicht gern.
Schweizer halt. Um den Umweg bis zum nächsten Retorno nicht machen zu müssen
holpern wir mit dem Toyota über den Grünstreifen der Schnellstrasse. Gut hat
sich der 6 Zylinder schon ordentlich aufwärmen können, denn jetzt muss der sich
in Geschwindigkeits-Sphären hochdieseln in denen er auf der ganzen Reise noch
nie war. Wir donnern mit gut 130 Sachen über den Asphalt, das 90 km/h Speed
Limit so konsequent ignorierend wie die Uruguaios, die noch wesentlich
schneller an uns vorbeibrausen. So machen wir wacker Boden gut und die
Garmin-Dame rechnet alle paar Minuten eine Minuten weniger bis zur Ankunft im
Hafen. Kannst Du Dir vorstellen, gar nicht mehr zu wissen, wie es ist sich
beeilen zu müssen? Komisch, gell? Aber genau das denke ich mir wie wir bei
erfreulich wenig Verkehr mit ungewohnt hoher Drehzahl des Diesels Richtung
Montevideo sausen: „Ich weiss gar nicht mehr wann ich zum letzten Mal pressiert
habe“. Ist doch auch schön. Das denk ich mir und gleich noch ob ich vielleicht das
Pedal noch ganz durchdrücken soll. Ehrlich gesagt weiss ich nicht mal wie
schnell der blue truck mit voller Ausrüstung laufen würde. Aber ich denk mir,
wenn der Tacho schon leicht über 130 zeigt und Jill von Garmin via Satelliten
unseren Groundspeed auf wechselnd zwischen 129 und 130 Stundenkilometern
einschätzt, dann reicht das schon. Mehr als 10 mehr bringt der eh nicht hin und
das macht jetzt bestimmt den Braten nicht mehr feiss. Und so besinne ich mich
auf meine „Secklä-Warte“ Theorie und lass mich gar nicht erst stressen. Eh auch
etwas an das ich mich nur noch in weiter Ferne erinnern kann, das Stressen.
Nochmal ein Ungewohnt für den
blue truck, wir schlängeln uns durch den Stadtverkehr wie die reinsten
Neulenker, die Dir auf Deinem Arbeitsweg auf den Wecker gehen wie sonst was. Schwumm
da geht’s noch durch bei Orange, wrrrrooom da noch schnell rechts vor würgen in
die Pole-Position an der Ampel. Mit schwarzem Qualm und Vollgas gleich wieder
links rüber und am Autobus vorbei der noch schwärzer raucht und ebenso Vollgas
fährt aber wesentlich langsamer rollt. Und als ob das alles genützt hätte
rollen wir mit einer sehr guten Zeit von knapp einer Stunde für die 90 km
inklusive Hauptstadtverkehr ans Hafenportal.
Warten auf das Einschiffen
Schiffskumpanen |
Ein Land-Rover mit Wohnmobil
Aufbau steht vor einem Steyr, so einen wie ich ihn im Wartä-Secklä
Militärdienst selbst noch fuhr, 40 Jahre auf dem Buckel, werden wir später
erfahren, besagter Steyr steht vor einem französischen Wohnmobil und zu guter Letzt
ein prächtiger 4x4 MAN in schickem Wüsten-Beige. Da können wir nur richtig
sein. Was meinst denn Du? Wir stellen uns dazu. Bloss - keiner da! Also
marschieren wir los, lassen das Auto mal dort wo es sicher keiner übersieht.
Oder doch, neben diesem Schiff. Da steht sie nämlich die Grande Francia,
wirklich unübersehbar am Pier. 214 Meter lang und doppelt so hoch wie der Kirchturm
des Dorfes in dem ich aufwuchs. Auf geht’s: Wir fragen da, wir plaudern dort.
Ein bisschen Händchenschütteln hier, ein bisschen ins Telefon labern dort. Ein
bisschen „un momento“ und ein bisschen „tranquillo“ und ein bisschen
„Wartä-Secklä-Wartä…“ und so kommt spät aber wahr doch noch was ganz
unerwartetes zum Vorschein, ich hab doch noch was gelernt im Schweizer
Militärdienst: Ich bin sozusagen trainiert für diese Situation. Secklä – Wartä, wer hätte gedacht, dass ich
das je wieder in meinem Leben brauche.
Ab ins Dunkel des Schiffsbauches |
Überwältigende Dimensionen an Bord |
Und der Rest des Tages gestaltet
sich treu dem Motto folgend. Bis der Toyota von der Grande Francia verschluckt
wird. Auf der Rampe noch ein letztes bisschen des Wartens. Dann ist Schluss.
Kabine beziehen. Zur ganz, ganz grossen Freude eine andere als die gebuchte,
nämlich eine mit Fenster. Schnell sind unsere Habseligkeiten für die nächsten vier
Wochen verstaut und wir stehen auf Deck und schauen dem Treiben zu. Erstaunlich
wie ruhig und ohne Hektik alles zu und her geht im Hafen von Montevideo.
Zwei Fuss vs. 40 Fuss Container |
Pünktlich wie eine Schweizer Uhr
servieren die Italiener das Abendessen. 18:00 sitzen wir mit den anderen
Passagieren beim Dinner. Ein bisschen plaudern, ein bisschen kauen, ein bisschen
kennenlernen, dann noch ein bisschen an Deck, noch ein bisschen Abendstimmung
von Montevideo. Und dann heisst es ab in die Koje. Mitternacht muss schon
vorbei sein, ich spüre eine leichte Vibration und höre wie der Riesen-Diesel
der Grande Francia Drehzahl annimmt. Wir stechen in See, oder besser in den Rio
de la Plata. Die Vibrationen pendeln sich schnell auf ein Minimum ein, die
Matratze dämpft die leichten Vibrationen, das Gebrumme säuselt mich in den
Schlaf.
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