Es stinkt nach Zigarrenrauch, verdunkelt ist das Office, nur zwei gelblich leuchtende Ständerlampen spenden Licht, obwohl eigentlich Tag. Ein mächtiger Schreibtisch aus dunklem Holz der einen tonnenschweren Eindruck macht und auf dem ausser einer Leder Auflage nur ein Telefon, ein autoreifengrosser Kristallglas Aschenbecher und die zwei Cowboy Boots meines Kunden liegen, so nehme ich den Raum wahr, nachdem sich meine Augen ans Dunkel gewöhnt haben, eben noch geblendet von der weissen Bluse. Die weisse Bluse, an die musste ich mich auch erst gewöhnen als ich meine Augen von den prallen, knallroten Lippen weg konzentrieren konnte, die mich in breitestem Südstaaten-Slang willkommen hiessen. Und es war ja auch nicht wirklich die weisse Bluse sondern die Robustheit, die Beständigkeit der Knopflöcher die mich so beeindruckte. Da reissen die Knöpfe derart an den Knopflöchern. Also das kannst Du Dir schon fast nicht mehr vorstellen so was. Auf jeden Fall eben begleitet mich diese Dame mit den reissenden Knöpfen an der weissen Bluse, die Vorzimmerdame, in dieses Büro. Wirklich eine Nummer für sich, schon erstaunlich wieviel Silikon sich in einen ansonsten zierlichen Körper reinpumpen lässt. Bis buchstäblich fast die Knöpfe reissen. Hinter dem Schreibtisch wippt in atemberaubender Schräglage mein Kunde im Sessel. Im grauen Anzug mit so einem Schnürchen mit einer Art Brosche dran anstelle einer Krawatte am Kragen, den einen Ellenbogen auf die Armlehne, die alleine schon so breit ist wie ein ordentlicher Bürostuhl, gestützt. In eben dieser Hand räuchelt eine Zigarre deren Dimensionen mich an ein Kajak erinnern. Die Krokodilleder Cowboy Latschen auf dem Monument eines Schreibtisches. Hinter ihm eine riesige ausladende Cheminée-Attrappe mit gedrechselten Säulen links und rechts, aus dunklem Holz oder einer gut gemachten Plastiktäuschung. Über der falschen Feuerstelle trohnt ein grosses Ölgemälde, so vielleicht zwei Meter breit und einen Meter hoch. Cowboys sind darauf zu sehen, eine Szene wie sie von Pferden herunter aus rauchenden Colts auf Indianer schiessen, alle zu Fuss, mit Federschmuck und Beilen, mit durchgebogenem Rücken sinkt einer der Indianer zu Boden, andere verteidigen sich mit Speeren vor den berittenen Cowboys. Unter dem Bild links ein Kleiderständer. Dunkles Holz. Dort hängt ein riesiger, hoher, hellgrauer Cowboy Hut, so gross und echt wie ich mir den als Kind nicht in den wildesten "Wanna be a Cowboy" Träumen zu besitzen hätte ausmalen können.
Nein, kein Witz - Texas.
Ein Ausschnitt aus meinem Leben als ich vier Jahre in Texas gelebt und gearbeitet hatte. Texas - was stellst Du Dir vor? George Bush? Big is Beautiful? Ungebändigt konservativ? Typen im Anzug mit Cowboy-Stiefeln und steifen Stetson's auf'm Kopf? Öl, Öl und noch mehr Öl? Reichtum der meist mit dem Öl im Vorgarten gemeinsam kommt? Riesige Landbesitze? Das zur Schaustellen dieses Reichtums auf die exzessivst mögliche Weise, ob mit besagtem Silikongehalt in der 5ten Ehefrau, dem 17-Zimmerhaus oder dem teuren, wenn irgend möglich grossen Auto? Pick-up Trucks? Knatternde Harley's mit helmlosen schnurrbärtigen Typen deren grauer Ross-Schwanz im Winde flattert? Dicke unendlich dicke, unvorstellbar dicke, richtig gehend monströsfette Menschen? Waffen in jeder Haushaltung? 24 Stunden Fernsehprediger aus ihrem privaten Pay-TV-Channel?
Gib's zu, so stellst Du Dir Texas vor, auch wenn Du gar nie im zweitgrössten Staate der USA warst, das wird in etwa Dein Bild sein, gell? Und jetzt, jetzt staunst Du! Weil weisst Du was? Brauchst Dich gar nicht schämen! Genau so ist Texas, das gibt es alles. Das alles ist Texas, das alles macht Texas aus. Und auf seine ganz eigene, schrullige Art liebenswert, bisweilen lustig gar komisch, mal auch tragisch komisch. Aber jetzt pass auf, Texas ist da noch nicht fertig, Texas hört nicht bei diesen allesamt zutreffenden Stereotypen auf, Texas endet nicht bei Dallas und der Southfork Ranch. Texas bietet mehr. Viel mehr.
Ein Texas das ich zu einem grossen Teil erst so positiv und prächtig während meiner Reise kennen lernen durfte. Ein Texas das mir meist im Grosstadt-Dschungel und im Arbeitsalltag verborgen blieb.
Fantastische Ranches mit prächtigem Südstaaten-Pionier Charme.
Tatsächlich will in Texas jeder ein bisschen mehr, ein bisschen grösser sein, als er wirklich ist.
Und bunt ist Texas, auch wenn es nur die Trash-Ästhetik am Strand im South Padre National Park ist.
Und wild. In Zürich, Hamburg oder Lugano wirft ein Grossmütterchen den Möwen die harten Brotbrocken zu, nicht in Texas,...
...zu gross ist Texas, zu wenige Grossmamis, zu viel Terrain, zuviele Möwen. Zu wild. Hier geht's den Fischen an den Kragen.
Texas rühmt sich, einer der Staaten mit den grössten individuellen Freiheiten zu sein. Ob ich da ob all der Prüderie und dem doppelmoralisch-religiösen Getue wirklich einig bin. Na ja. Weiss nicht. Auf jeden Fall gibt es da schon Dinge, die ihresgleichen suchen. Da fährst Du zum Beispiel ganz offiziell, legal und erlaubt viele, viele Meilen in einem Nationalpark, direkt dem Strand entlang. Mutterseelenalleine, nur Du, das Meer, die Natur. Für uns überdressierten an vorauseilenden Gehorsam erkrankten Schweizern schon ein ganz spezielles Erlebnis. Immer wieder verfolgt Dich das Gefühl da was Verbotenes zu tun. Gleich kommt einer und verpasst Dir ne Schelte, dass Du da mitten durch die in einem Nationalpark geschützte Natur braust. Aber nein, ausser Deinem Auto, das das Salzwasser nicht wirklich so mag, reklamiert da keiner.
Texas beschert mir auch den aus US amerikanischer Produktion stammenden Hi-Lift. Den ich in einem Off-Road Shop in San Antonio finde. Doch der muss jetzt irgendwie auf die Stosstange kommen. Damit das schwere Ding an einem schlauen Ort mitreisen kann. Ein Campingplatz in einem State Park wird zu meiner Outdoor Werkstatt, als der schwer bewaffnete, Texas schliesslich, State Park Ranger vorbei kommt, rechne ich schon mit einer Schelte für die Bohrspähne am Boden, das Klemm-Schraubstöckchen am Campingtisch und überhaupt. Stattdessen plaudert er interessiert, gibt seine Story zum besten wie er ohne einen solchen Wagenheber schon verloren gewesen wäre und was für Dienste das Ding den Forest Firemen, denWaldfeuerwehrmännern als universal Werkzeug leisten würde.
Meine wirkliche...
...Liebe zu Texas entpuppt sich im Big Bend National Park. Einem riesigen Gebirge an der Grenze zu Mexico. Fantastische Wetterstimmungen, atemberaubende, wilde Campingplätze meine wirklich ersten 4x4 Abenteuer der Reise. Stunden-, ja tagelanges Wandern in den Bergen und in der Wüste. Und stell Dir vor, wo gibt es denn sowas, da wird zur Motivation des männlichen Solowanderers doch wirklich einiges gemacht. Da kämpfst Du Dich, als eben der männliche Solowanderer bei hohen Temperaturen und trockener Luft den Berg hoch. Wirklich angestrengt überlegst Du Dir Dein Bergziel aufzugeben und ohne den Gipfel erklommen zu haben wieder umzudrehen und dann, dann liegt da auf einem Felsbrocken am Wegesrand ganz plötzlich...
...ein Damen Tangahöschen. Man wär kein Mann wenn man da nicht hochmotiviert weiter den Berg hoch stapfen würde. Frischen Mutes doch bald dem höschenlosen Wandergirl zu begegnen. Da kann mann gar nicht anders. War dann ausser allerhand Motivation nix. Niemand, wie fast auf allen anderen Wanderung begegnet mir, leider auch nicht der vielversprechende Inhalt des Wandermotivators. Ganz auf'n Berg hab ich's dann trotz dem enormen Motivationschub nicht geschafft. Lag aber weder an höschenlosen Girls noch an der Steigung.
Beinahe gleichzeitig haben sich die Sohlen meiner Wanderschuhe von den Fersen her gelöst. Der eine (Bild) schaffte es noch bis runter, den anderen musste ich mit einer Umschnürung des Schuhbändels vor der endgültigen Flucht sichern. Na wohl dann eh nicht das ultimative Aufreisserschuwerk für das Höschen Ding. Aber doch sehr beeindruckend was so ein Nationalpark da alles zur Motivation des Wanderers macht.
Aber auch mit dem Auto gibt es Schönes und...
...Schräges und ordentlich...
...Verdrehtes zu bewältigen.
Ganz im Süden von Texas gibt es die wohl höchsten Speedlimits des Landes. 80 miles per hour auf der Landstrasse, das gibts sonst kaum wo in den USA.
Die Abendsonne verleiht dem blue truck eine ordentliche off-road Fahrwerksmodifikation.
Und falls Du immer geglaubt hast Knödel sei was zum Essen, in Texas ist's 'n Autohaus.
In Austin steige ich im Austin Motel ab. "Nobody nows why their sign looks like a dick and balls" werden mir über ein Jahr später Texaner sagen, die in Austin zu Hause sind und ich in Kolumbien treffe. Das Motel gibt es schon seit den 50ern und genau so gemütlich und stylish ist es auch. Die Zimmer sind alle renoviert und keines ist wie das andere. Meins ist in einem minimalistischen Bauhausstil ausgestattet. Echt nett. Wie ich den blue truck vor dem Zimmer parke, ahne ich noch nicht, das Austin zu meiner liebsten Stadt des Staates wird.
Trotzdem, wie überall in den USA wird Dir alles erklärt. Willst Du rüber drück den Knopf - Wenn das Signal sagt "Gehen" geh los, schau Dich nach Autos um, wenn das Signal sagt "Geh nicht" dann lauf schnell wenn Du schon unterwegs bist, Fussgänger sollten nicht rüber laufen wenn es heisst "Geh nicht". Immer wieder frage ich mich ob die Amis wirklich so blöd sind oder ob die von ihrem eigenen Land nur einfach für so blöd gehalten werden. Denn solches Zeugs, das gibt es nicht nur in Texas. Nein das verfolgt Dich kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten.
Austin ist eine erfrischend progressive Stadt, hier ist es, wo ich zum ersten Mal nach monatelangem Reisen in den USA ein vollelektrisches Auto sehe. Einen Chevrolet Volt. Aber überall in der Stadt begegnen einem Velofahrer, es gibt Rad- und Fusswege, keine Selbstverständlichkeit in texanischen Städten, Jogging Trails und überhaupt...
...scheint in der Hauptstadt des Staates alles ein bisschen anders...
...das texanische Capitol überragt seinen nationalen Chef in Washington DC um einige Meter - everything is bigger in Texas - ist eben nicht bloss ein Sprichwort. Im Park werden mit schweren Bronce Statuen nicht nur die Pioniersfrauen der ersten Stunden des Staates geehrt. Nein...
...auch die mit dem Staat im Süden des Landes an der mexikanischen Grenze liegend, immer wieder in Verbindung gebrachten Cowboys.
Ich wusste was Biking, was Hiking, was Drinking, was Riding auf English heisst, dass es aber auch Bikinig gibt, das lernte ich erst in Texas, notabene mit Bedienung in Bikinis. War dann aber nicht mal drin. - In der Beiz. Und schau Dir mal die Grösse an, die dieses Mädchen trägt, die grösse des Hamburgers, sie ist ja selbst nicht gerade zurückhaltend ausgestattet (wenn Du auf das Photo klickst wird es übrigens grösser, das Mädchen, mit samt dem Photo) aber dieser Burger... Texas that's all I say.
New Orleans war ja der Renner was Live Music anging. Austin behauptet aber von sich mehr Live Music Lokale zu haben als irgend eine andere Stadt der Welt. Das ist doch schon mal eben ganz sympathisch...
...genau so wie die vielen, vielen Radfahrer. In einem Staat, wo Du ohne Auto schon fast IV beziehen darfst.
In Austin's oder besser Texas' Pendant zu unserem Landesmuseum in Zürich, da feiert sich der Staat mal so richtig gehörig. Wenn Du denktst, die Amis, die sind ja ganz generell so richtig patriotisch, dann geh Dir das mal anschauen...
"Texas ist der beste flecken Erde des Globus der mein Augenlicht je beehrt hat" oder so ähnlich, soll Sam Houston, nachdem auch die gleichnamige Metropole benannt ist, 1833 gesagt haben.
Da kann natürlich, das für Nicht-US Amerikaner immer ein bisschen seltsame "God bless..." nein, für einmal nicht "...America" sondern, ja wo sind wir denn? ja eben "...Texas" nicht mehr weit sein. Komisch, ich bin ja nicht gläubig aber wenn es den gibt da oben, den alten Herrn, weshalb sollte er dann wohl die USA oder Texas mehr beschützen, mögen, als Zürich, Nigeria oder Afghanistan? Ich versteh' jedenfalls nicht weshalb der Allmächtige da gerade und ausgerechnet auf Texas oder die USA besser aufpassen sollte als auf alle anderen Länder und Menschen auf seiner Erde.
Die Grösse des Mosaiks im Fussboden des texanischen "Landesmuseums" wird Dir erst richtig bewusst von oben, mit kleinen Menschchen die darauf rum spatzieren. - Gibt halt wirklich nix kleines in Texas.
Ob ich da wirklich meine Kinder in Obhut geben möchte? Das child care center des Capitols in Austin sieht mit seinen wenigen Fenstern und den Türen mit kleinem Guckfensterchen schon eher einer Strafanstalt ähnlich. Fand ich.
Da weisst Du, Du bist in Texas, nichts als Pick-up Trucks.
Nicht nur Radgefahren wird in Austin viel. Auch gejoggt.
Und natürlich vergisst man seine Herkunft nicht, auch wenn es nur eine Filzstift Graffiti an der Wand eines Hauses ist.
Sonnenuntergänge und Wetterstimmungen mögen Dich immer wieder verwöhnen...
...in Texas, am meisten fern ab von den grossen Städten lässt Dir die Abendsonne auch mal...
...ganz lange Beine wachsen.
Obwohl ganz grundsätzlich die Texaner freundlich sind "southern hospitality" wie sie das nennen, "Südstaaten Gastfreundschaft" so in etwa, übersetzt, da wird wie überall auf der Welt mal einem seine Frau wenn auch nur per Spraydose an der Raststätte, zum Teufel geschickt.
Ich bin dankbar, auf meiner Reise ein ganz anderes Texas kennen und lieben gelernt zu haben, ein anderes als es mir bekannt war aus meinen Jahren in der Business-Welt des Metroplex Dallas-Fort Worth. Wenn Du nach Texas kommst und Texas kennen lernen magst, dann nimm Dir Zeit. Texas ist nicht nur sprichwörtlich gross, Du wirst riesige Distanzen in Deinem Auto oder in einem Sessel von Southwest Airlines, übrigens dem Erfinder des Billigflug Konzeptes wie Du es in Europa Jahrzehnte später mit Easyjet oder Ryanair kennenlerntes, verbringen um vom auch heute noch Wildwest mässigen El Paso nach Dallas zu kommen, um in den Sümpfen an der Grenze zu Louisiana Gespenstern und Sagen nach zu eifern oder am einsamen, endlosen Strand des Padre Island National Parkes jegliches Zeitgefühl hinter Dir zu lassen.
Die USA sind mehr als New York, Washington DC, San Francisco und die überfüllten National Parks im Westen.
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