Donnerstag, 26. April 2012

Schau nur, schau wie schön!


Alberto hoch oben bei seiner Kunst
„Schau nur, schau!“ Alberto streichelt zärtlich über die Blätter eines Busches, dessen rote Blüten seine Galerie, viel mehr seinen Park, zieren. „Schau nur, schau wie schön!“  während zwei Schmetterlinge vor ihm in spiralförmigen Schleifen, einem höhengeilen Gleitschirmpiloten gleich, in die Lüfte steigen, hinauf zu den Früchten eines seiner Bananenbäume.

Weder Eintritt noch Öffnungszeiten gibt es für die Galeria del Arte El Jalacate. Nur zu Fuss, nach einem kilometerlangen Spaziergang ist sie zu erreichen, die Galerie von Alberto Gutiérrez. Noch haben wir, Toni, Felix und ich, das Tor zu seiner Finca nicht passiert, da werden wir schon von Alberto willkommen geheissen: „Adelante, adelante, wie schön Euch bei mir willkommen heissen zu dürfen“ ruft ein, in ein einst blaues, von Wetter und Sonne gebleichtes Hemd und eine dunkle Hose mit kleinen Löchern bei den Knien gekleideter Mann uns entgegen als wir nach dem Abstieg ins Tal wieder den Hang hoch Richtung seines Eingangs marschieren. Seine mehr als gut eingelaufenen, knöchelhohen Schuhe sind x-fach mit verschieden farbenen Fäden zusammengeflickt. Er führt uns zu einer kleinen Hütte, gibt uns eine kleine Einführung in was wir in den nächsten rund zwei Stunden erleben dürfen. Wir tragen uns ins Gästebuch ein. Mit seiner rechten Hand klemmt er sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, sich mit dem Zeigefinger langsam wieder und wieder an der Unterlippe zupfend, wandern seine Augen gegen Himmel, dann zurück zu uns: „Mit Euch dreien, habe ich nun genau 24‘392, nein, nein, warte:  24'923 Gäste hier willkommen heissen dürfen.“

Gast Nummer 24'921 und 24'922, 24'923 hat das Foto geschossen. Danke Felix.

Vor über 35 Jahren, inspiriert von einem Traum, kam der heute 73 jährige Künstler hier her. Seit damals hat er Geschichten, Personen, Tiere, Geschehnisse in den sandsteinenen Fels gemeisselt oder auf Felsblöcke geritzt. Gedichte, Reime und Verse geschrieben, von denen er uns hoch oben auf dem Felsen auch seine, erst am Morgen desselben Tages entstandene Posie zitieren wird. Meist sind die Gebilde in den von der Natur bestimmten Farben gehalten, gelegentlich tragen die Menschen in seinen Steinbildern eine Frisur aus, natürlich auf dem Fels gewachsenem Moos. Dort wo nicht die Natur den Farbton bestimmt hat, wird uns Alberto später erklären, hat er sie mit aus Blüten, Samen und Bohnen gewonnener Farbe, gemischt mit Öl, selbst bunt angemalt. Aus Wurzeln und Ästen wurden springende Delfine oder sich um Bäume zwirbelnde Schlangen. Seine Kunst ist gepaart mit wundervoller tropischer Pflanzenwelt, Palmen, Ananas, verschiedene Sorten, gelbe, rote wechseln sich mit Nadelbäumen ab, zum Teil ganz junge kleine Bäumchen, von in die Erde gesteckten Ästen vor hungrigen Tiermäulern geschützt. Auch mal nur ein Loch in der Erde „das habe ich gestern gegraben, hier pflanze ich einen jungen Baum den ich gezogen habe“ erklärt Alberto.

Immer in Nicaragua gelebt, hat Alberto, den grössten Teil seines Lebens genau da, am Hang in seinem Paradies verbracht. Erstaunlich weiss er über vergangene und präsente Geschehnisse auf der Welt Bescheid, weit über die jüngste, brutale bürgerkriegsgeplagte Geschichte von Nicaragua hinaus und arbeitet sie laufend in seine Kunst ein.

911 wird nicht vergessen bei Alberto
Auf einem aus dem Hang ragenden Sandstein steht ein zu einem definitiv von Handarbeit zeugenden viereckigen Türmchen gemeisselter Stein, auf der einen Seite quadratische kleine Felder, auf der anderen, da und dort kleine Augen. Sein ganz persönliches Mahnmal an die in New York bei den Anschlägen vom 11. September 2001 ums Leben gekommenen Menschen. Er führt uns hinauf, noch lässt sich die bevorstehende Aussicht zur Linken nur erahnen, noch lassen Bananen-Bäume, Kaffeepflanzen, Palmen und die prächtigen, in diesen Nebelwäldern typischen Farnbäume uns nur ganz selten ein bisschen Aussicht erhaschen. „Schau, schau! - Schau wie schön!“ Ein bisschen tönt es als würde sich Alberto wiederholen, doch gepaart mit der sich laufend ändernden Natur, mit seiner sich mit steigender Höhe häufenden Steinhauerarbeit, lasse ich mich nur zu gerne von seiner Begeisterung für die Schönheit der Natur, gepaart mit seiner Kunst anstecken. 

Ein wahrhaft mystischer Ort.

Einmal streichelt er mit zarten Händen über die Blätter oder Blüten von Pflanzen, dann über den von ihm bearbeiteten Stein, immer erklärend, was er gemacht hat, was für eine Pflanze diese oder die nächste ist. In einem von ihm bearbeiteten Stück Fels hat es mehrere, zirka 10 oder 15 Zentimeter tiefe Löcher, wie kleine Becher muten sie an, vom Regen der vergangenen Nacht sind einige mit Wasser gespiesen. Alberto erläutert, dass er diese in den Sandstein gemeisselt hat, auf das die Vögel so einen kleinen Brunnen zum Trinken oder ein Bad zum planschen finden. „Regnet es nicht, dann komme ich hier hinauf und fülle Wasser für die Vögelchen ein. Schön sind sie, die Vögel hier, bunt, Papageien auch, sie sind früh morgens hier, singen prächtig, einige sind schon wieder weggeflogen, ‘gen Norden, kommen erst im September wieder, schade könnt ihr sie nicht sehen. – Schau, schau, das ist ein Tiger und ein Jäger, der Tiger reicht dem Jäger die Pfote auf das sie in Frieden gemeinsam Leben“ er zeigt auf einen Steinblock, während wir weiter auf den kleinen Wegen den Hang hoch steigen.

Der Tiger und sein Jäger
„Ein Helikopter, er fliegt über unser Land, schau, da der Vulkan, ein Soldat, die schlimmen Zeiten während des Bürgerkrieges in Nicaragua.“

Der Helikopter, der Vulkan
„Schau nur, schau“ Alberto dreht sich weg von seiner Kunst, der Hang wird steiler, die Vegetation spärlicher, wenn nicht spärlicher zumindest nicht mehr so hoch sind Bäume und Pflanzen, nicht mehr so dicht. Albertos Arme breiten sich aus und er präsentiert uns mit seiner ganzen Begeisterung für seine Landschaft, für die Natur, die Aussicht die wir von hier oben haben. Er erklärt, dass unweit von hier alles angefangen hat, hier hat er seine ersten Arbeiten in den Stein gehauen. Da und dort kann man der lichteren Farbe wegen erkennen, dass ein Stück seiner Arbeit von Wind und Wetter der Erosion nicht trotzen mochte und er nacharbeiten musste. Eindeutig zu erkennen, dass seine frühen Arbeiten, auch wenn der Stein sich wohl leicht bearbeiten lässt, viel, viel aufwändiger zu sein schienen als seine späteren, schon fast eher geritzten als gehauenen Bilder.  

Gelegentlich ist ein Stück seiner Arbeit von seiner geliebten Natur bearbeitet worden
Immer wieder gibt es, mit eingearbeitete, Möglichkeiten zu verweilen. Einmal ein in Stein gehauener Hocker, dann ein aus einem Baumstamm zu Recht gelegtes Bänkchen. 

Wir geniessen mit Alberto die Aussicht
Wir verweilen, geniessen mit Alberto die Aussicht. Auf dem Rückweg greift er über seinen Kopf in eine aus dem Stein gemeisselte kleine Nische: „Schau, das sind meine vier Werkzeuge“ er zeigt uns drei aus Armierungs-Eisen geschmiedete Meissel und einen zu Recht gehauenen Stein. Der Stein ist aus einem anderen Material als der lokale Sandstein hier, ein härterer, zäherer Stein: „Schau“ und schon zeigt er uns, wie er mit den Meisseln die felsige Wand bearbeitet, den harten Stein als Hammer nutzend.

Alberto zeigt wie er mit seinen einfachen Werzeugen den Fels bearbeitet
Während wir auf den schmalen Pfaden heruntersteigen erzählt er uns von seinen Geschwistern, von seinen Neffen und Nichten, dass er selbst keine Kinder hat und nie verheiratet war, da er seiner Berufung folgend vielleicht zu wenig Zeit hatte dafür. Ich helfe ihm mit dem fummeligen Feuerzeug seine dritte Zigarette anzustecken. Sein Laster, erklärt er, seit er 11 Jahre alt sei würde er rauchen, er denke nicht, dass er jetzt noch damit aufhören werde, er lacht verschmitzt. Vorbei an Bananenbäumen, Kaffeesträuchern und Ananas, vorbei an einer kleinen Senke wo es besonders viele Schmetterlinge und ein paar von ihm geschnitzte, hölzerne Schlangen hat und Bänkchen und Hocker aus Holz. Hier, meint Alberto, ziehe er sich zurück wenn er eine Pause machen wolle, hier zu den Schmetterlingen, hier sei es schön kühl, selbst um Mittag habe es hier Schatten. 

"Schau, ein Elefant, ein prächtiges, starkes, dem Menschen wohlgesinntes Tier, hilft ihm in Afrika und Indien die schwersten Arbeiten zu erledigen"

Immer wieder kommen Tiere und deren friedliches Zusammenleben mit Menschen vor in Albertos Arbeiten
Um die zwei Gebäude hat es viele bunte Blumen und prächtig blühende Sträucher. Der Künstler zeigt uns stolz seinen kleinen Blumengarten: „Schön die Blumen, nicht?“ streichelt er über die farbig, bunten Blüten bevor er sich herzlich bedankt. Wir uns auch, mit einer kleinen Spende für seinen künstlerischen Garten und seine Gastfreundschaft. „Auf dass es Euch immer gut ergehe, vielen Dank, dass Ihr mich besucht habt“

„Adios, Alberto!“


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