Wunderschön, friedlich und ruhig sollten meine zwei Tage am kleinen und warmen Johnson Lake auf der Kenai Halbinsel Alaskas sein. – Doch dann ein bedrohlicher Angriff aus der Luft.
Mittlerweile baue ich mein Kajak in rund 45 Minuten zusammen, wenig später steche ich in den flachen, warmen See. Die Form einer gigantischen 8 hat der See, mit dem oberen Kreis wesentlich kleiner als dem unteren, an eben diesem liegt mein Camp. Nur wenig breiter als ein Meter ist die Durchfahrt zwischen wunderbaren und dichten Seerosen hin zum grösseren Teil des Sees. Der See ist ruhig, kaum Wind, das Wasser klar, meist kann ich bis auf den Grund sehen. Das Paddeln durch die Enge Passage geht ohne Strömung und ohne Wind wunderbar leicht von der Hand und die kleinen Wellen zischen leise während sich das Kajak den Weg durch das, einem Spiegel gleich, ruhig liegenden Wassers schneidet. Der grössere Teil des Gewässers ist ein wenig unruhiger, kleine Wellen schäumen auf, zwei kleine Boote schaukeln weiter südlich vor mir, Fischer versuchen ihr Glück. Quer über den See paddle ich, dem Drift den nun das Boot durch den Wind entwickelt trotzend. Kurz bevor ich das südwestliche Ufer des Sees erreichen würde drehe ich ab, ich will die Fischer in ihrem kleinen Elektromotorboot nicht zu stören. Der wilden und verwachsenen Uferlandschaft entlang paddle ich langsam und gemütlich, lasse mich gelegentlich nur vom Rückenwind treiben und beobachte Bäume, Pflanzen, Tiere.
Ein Frosch springt von einem grossen, schwimmenden Seerosenblatt auf das nächste, bevor er sich kopfvoran ins Wasser stürzt. Seine Augen spiegeln sich im dunkeln Blau des Sees, sie scheinen wie losgelöst von jedem Körper alleine über der Wasseroberfläche zu hängen. Mit meinem ersten Paddelschlag nach dem ich ihn entdeckt hatte, taucht er ab und verschwindet unter Wasser im Gewirr des Seegrases und der Wurzeln der Seerosen.
Wie weisse Früchte hängen Seeschwalben auf den Bäumen, einmal ganz still, dann wieder laut kreischend fliegen sie auf und verschwinden im Dickicht nahe dem Boden. Eine kleine Gruppe versammelt sich plötzlich hoch oben über mir, immer kreischend halten sie ihre Köpfe schräge um mich mit ihren schwarzen Kugelaugen im Fluge von oben zu beobachten. Unvermittelt begeben sich mehrere von ihnen laut kreischend in den Sturzflug um mit hoher Geschwindigkeit in die Tiefe zu sausen, lauthals kreischend drehen sie ab und fliegen mit hoher Geschwindigkeit direkt auf mich zu um, vielleicht einen Meter, vor meinem Kopf und Oberkörper abzudrehen, erneut in die Lüfte zu steigen und ihren Angriff zu wiederholen. Hitchcock`s „The Birds“ geht mir durch den Kopf wenn ich buchstäblich Auge in Auge bin mit den schwarzen von einem kleinen gelben Kreis umrandeten grimmigen Augen.
Einem zum Tanken und Aufmunitionieren stoppenden Kampfjet gleich setzt sich der eine oder andere der Luftjäger in meiner Nähe auf ein grosses Seerosenblatt um wenig später erneut in die Höhen zu schweben und sich wieder und wieder mit grossem Lärm auf mich zu stürzen. Ich vermute, dass ich auf meiner Paddeltour zu nahe an den Brutplatz der Vögel geraten bin, ich kann mir kaum vorstellen, dass sie es sonst derart mutig mit mir aufnehmen würden. Für einen Moment halte ich inne, paddle nicht, bewege mich kaum, beobachte die Szene und hoffe die Tiere würden sich so ein wenig beruhigen. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein und die Bäume am Ufer entleeren sich sichtlich und der Schwarm über mir wird grösser und grösser, mehr und mehr der kreischenden Tierchen setzen zum Sturzflug über mir an. Interessanterweise konzentrieren sich sämtliche Angriffe auf entweder frontal oder von der Seite, nie von hinten. Gentlemen Birds? Meinem gescheiterten Versuch mit Ruhe und Stillhalten beruhigend auf die Tiere zu wirken entgegne ich mit schnellem Paddelschlag um mich in kürzester Zeit weit möglichst vom Ufer und ihrer möglichen Brutstätte zu entfernen. Schliesslich sollen sie sich doch besser um ihre Brut kümmern und wirkliche und echte Bedrohungen von ihren Kleinen fernhalten statt mir ein Luftkampf-Spektakel zu bieten. Die Wellen spritzen über mein Kajak, noch während vielleicht 50 oder 100 Metern halten die gut koordinierten Angriffe an, werden dann weniger und weniger und schon bald zischen die letzen grimmigen Augen vor mir weg und ich steure mein kleines Boot zurück Richtung der Passage in den anderen Teil des Sees, zurück zu meinem Camp.
Später lese ich über die Vögel, dass sie bis zu 34‘000 Flugkilometer auf ihrer jährlichen Reise von südlichsten, antarktischen Gefilden, über gute Nahrung bietende Gebiete in Süd- und Zentralamerika, bis hoch hinauf nach Alaska und nach dem Brüten und dem kurzen, nahrungsreichen Sommer hier auch noch wieder zurück gen Süden zurücklegen.
Lieber Thomas
AntwortenLöschenDas sieht traumhaft aus... wunderschön. Lg Monica
Der See sieht eigentlich sehr friedlich aus. Pass bloss auf, wenn die mit dir Richtung Süden reisen, siehst du sie sicher wieder...
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