15. Dezember: Emden
In den frühen Morgenstunden, ich döse noch in der Koje, manövriert der Kapitän und seine Crew die Grande Francia vorsichtig und ruhig durch die von Nieselregen getränkte, neblige eben endende Nacht. Im Bett liegend verspürt man nicht den geringsten Move, als die 214 Meter Schiff am Dock anlegen.
1‘310‘000 Autos. Kannst Du Dir so
viel Blech, Aluminium, Kunststoff und Gummi an einem Haufen vorstellen? Also
wenn nicht, dann schau‘ Dir mal
dies auf Google Maps an. Oder die Fotos hier.
Das ist der Hafen von Emden, der drittgrösste
Fahrzeugumschlagshafen Europas. Nebst
dem was hier per Schiff weggeht, eben die 1.3 Mio. PKWs, werden auch noch etwa
300‘000 pro Jahr per Bahn und Lastwagen von hier weggekarrt. Vornehmlich werden
hier
Volkswagen Produkte ein-, vor allem aber ausgeschifft. Eben, rund eineinhalb
Millionen neuer Personenwagen. Und dazu kommen dann viel mehr als Polos, Golfs
und Passats. Zum Volkswagen Konzern gehören Marken wie
Audi,
SEAT,
Skoda,
Bentley,
Bugatti,
Lamborghini,
Porsche, dazu gesellen sich noch
Ducati Motorräder,
Scania und
MAN Lastwagen. Und wenn VW es wie angekündigt schafft, dieses Jahr
Toyota von der Nummer 1 als
Autohersteller zu bugsieren, dann werden es bis Ende dieses Jahres
vermutlich an die eineinhalb Millionen Fahrzeuge sein. Die 580‘000
Mitarbeitenden vom Volkswagen Konzern haben im vergangenen Jahr 10‘140‘000
Autos produziert. Der Vorsprung von
Toyota, als Nummer Eins, war mit 10‘230‘000
nur noch gering. Ein bisschen rechnen bringt einem schnell darauf, dass über
13% der von VW produzierten Fahrzeuge via den Hafen von Emden verschifft wurden.
Jetzt denkst Du das sei richtig viel, dann pass mal auf, die 1,3 Millionen sind
ja erst die verschifften Einheiten. Und da ja noch lange nicht auf allem was „Deutsch“
steht auch „Deutsch“ drin ist, kommen nämlich auch noch sehr viele Autos in Emden
an. Zwei Decks der Grande Francia waren zum Beispiel voll mit VWs, alles Autos
die an diesem heutigen, nebligen Morgen zum ersten Mal in ihrem noch jungen Leben
überhaupt deutschen Boden unter ihre Gummis bekommen. Wenn Du also gerade den
Zündschlüssel Deines „Deutsche Wertarbeit“-Produktes drehst, bist Du Dir da
ganz sicher, dass Du nicht vielleicht in einem asiatischen, einem
argentinischen, mexikanischen, brasilianischen oder afrikanischen Auto sitzt? Gut
möglich, dass Dein Auto auch schon eine Frachtschiffreise, wie ich, gebucht
hat.
Bei Ankunft siehr es am Dock noch so aus.
Über einige Stunden herrscht ein buntes Treiben und...
...aus den Tiefen der Grande Francia rollen...
...viele VW Pick-Ups made in Argentina.
Stunden später präsentiert sich der Platz am Dock so.
In T5 Transportern werden die Driver in endloser Flüssigkeit von den Fahrzeugen wieder zurück in die Grande Francia gekarrt, wo sie jeder einzeln wieder mit einem neuen Volkswagen auf dem Dock erscheinen.
Im Vordergrund die Pick-Ups aus Argentinenen, im Hintergrund die Fahrzeuge die auf die Verschiffung warten.
Zwei Mitarbeiter bringen Typenbezeichnungen an den Amaroks an.
Also wenn Du das einmal gesehen hast,
da in Emden, dann bekommst Du eine andere Sichtweise zu Autos und begreifst,
wie sehr das ganze Blech ein „Consumer-Product“ wie Windeln, WC-Papier oder
Mobil-Telefon ist. Wir, Ursi, Gerhard, Olivier und ich, stehen so da an der
Reling und versuchen zu errechnen wieviel Millionen Euro da wohl stehen mögen.
Da Reihen sich nämlich so richtig teure Autos in herrlichen Stückzahlen
aneinander, zum Beispiel eine ganze Schlange 911er Porsches, Audi R8, nicht
bloss einer und die schnittigen Bentley Coupés. Natürlich, da stehen auch Polos,
SEATS und vieles mehr. In der Diskussion einigen wir uns, dass vermutlich ein
Verkaufswert von ca. 35‘000 Euro pro Fahrzeug realistisch zu sein vermag. Wir
werden uns nicht einig. Gerhard meint angesichts der vielen Nobelkisten wäre der
Wert zu tief. Olivier argumentiert mit Einstandspreisen. Jetzt, ein wenig
später, sitze ich hier am Laptop und rechne nochmal vor mich hin: Wenn in Emden
1.5 Mio. Fahrzeuge umgeschlagen werden, dort an 360 Tagen im Jahr gewerkelt
wird, dann sind das im Schnitt 4‘166 Autos pro Tag. Kannst Du Dir das vorstellen?
Dein Auto multipliziert mit 4‘166, da brauchst schon einen ordentlichen
Parkplatz. Das sind über doppelt so viele Autos wie in das Parkhaus der Messe
Zürich in Oerlikon passen, bei Vollbesetzung. Wenn wir nun bei unserer
Schätzung von einem Verkaufspreis von € 35‘000 pro Fahrzeug bleiben, dann
stehen da gerade jetzt, wie eben an jedem Tag Fahrzeuge mit einem Gesamtwert
von – kommst noch mit? – 145‘810‘000 Euro. Und jetzt gehe ich mal davon aus,
dass dort vermutlich mindestens doppelt so viele Fahrzeuge stehen, wie an einem
Tag verschifft werden, also ein Teil der Fahrzeuge die morgen oder übermorgen
Emden verlassen stehen schon bereit, mindestens würde ich sagen, dann stehen da
bestimmt Autos im Wert von über 300 Millionen Euro. Zu jeder gegebenen Zeit an
jedem gegebenen Tag. Eindrücklich, nicht? Stell Dir ein Hagelwetter vor über
dem Hafengebiet von Emden. Und jetzt stell Dir den Blutdruck des verantwortlichen
Versicherungsexperten während diesem Hagelwetter vor. Unschön.
So – genug gerechnet, schau Dir
einfach die Bilder an. Einer unserer letzten Tage an Bord der Grande Francia.
Ist hier einer für Dich?
Porsche, VW, Audi, SEAT, Skoda, nur selten bunt...
...meist in weisse Auslieferungskluft gehüllt.
Scheint's mir nur, oder sind die teuersten Autos am wenigsten eingepackt?
So weit das Auge reicht.
Auch Kleine hat's dabei.
In der Nordseebrise qualmen die Auspuffrohre des kalten Audi Motors.
Der winterliche Arbeitstag beginnt im Lichte der grossen Fussballplatz Beleuchtung.
Vieviele würdest Du schätzen...
...stehen hier?
Am Nachmittag refelktieren die weissen Anzüge die Wintersonne.
Und jene wenigen die nicht in weiss daher kommen funkeln glänzend im Sonnenlicht.
Kann man sich da nicht verlaufen? ...
...frage ich mich, als ich klein und bunt einen Fussgänger in den Automassen ausmache.
Auch nach dem X-ten Foto ist es immer noch...
...beeindruckend soviele Fahrzeuge auf...
...einem Haufen zu sehen.
Die kleinen scheinen bunter zu sein.
Bei den teureren sticht der gelbe Transporter raus wie ein Pickel im Gesicht eines Teenagers.
Wieviel Abfall nur schon die Mäntelchen all dieser...
...Neuwagen produzieren.
Wie treue Soldaten reihen sich die...
...Autos eines ans andere...
...und scheinen bis an den Horizont zu reichen.
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