Flink geht’s erst jetzt,
talwärts, auf über 4‘000 Metern geht meist nichts mehr flink solange es hoch
geht, ob mit dem Toyota oder mit mir, wir keuchen beide. Doch der Pass ist
geschafft und langsam schiebt der blue truck im dritten Gang den Berg runter, gelegentlich ein blau-weisses Wölkchen aus dem Auspuff hustend. Im gelb-blau
gepinselten Zahlhäuschen das mitten auf die Strasse betoniert ist sitzt eine
freundliche indigene Frau mit hohem Filzhut. Die Gebühr ist bezahlt, das Licht
schaltet auf grün. Kurz ist das Rollen - ich werde von einem in grüner Uniform,
dicker Jacke und Fellmütze steckenden Polizisten gestoppt. Ein paar Fragen, ein
gleichgültiger Blick auf meine Papiere. Dann der wichtige Teil. „Amigo…“ so
fängt es ausnahmslos immer an in Peru, immer dann wenn jemand was von Dir will.
Und der freundliche Policia mit dem ledrig-gegerbten Gesicht will auch gar
nichts für sich. Seine zwei „Amigos“ (schon wieder) müssten ins Tal, wirklich
nur bis zum nächsten Dorf. Von Wind, Wetter und vor allem von der brutalen
Sonne in den grossen Höhen, sind die Gesichter gezeichnet. Die zwei Sitzen auf
unzähligen Taschen und in bunte, gewobene Decken gepacktem Allerlei. Er winkt
den beiden zu. Flink schiessen sie von ihren Bergen von Ware hoch. Sekunden
später sitzen die zwei auf dem Beifahrersitz des blue truck. Die Beinchen
baumeln wie Kinderbeine über der Kante des Autositzes ohne den Fahrzeugboden zu
berühren. Immer wieder erstaunlich wie kleingewachsen die Andinos sind. Aber
praktisch. Kein Zweifel. Weil so passen auch die vielen Taschen und in Stoff
gehüllten Dinge alle mit rein, samt den beiden. Die Frau sitzt neben mir, der
Mann am Fenster.
Boah, ich sag Dir, Fenster runter kurbeln. Schnell - obwohl
eiskalt, ganz runter! Heidis Geissen-Peter ein Dreck dagegen oder eben kein
Dreck dagegen. Echt. Jetzt pass auf, das glaubst Du schlicht nicht. Trotz all
der Röcke, Unterröcke, Über- und Unterstrümpfe, Socken und weiss sonst was
noch. Und obendrauf der Hut. Schon klar, schon Potential. Trotzdem, so kann
kein Mensch stinken. Das geht einfach nicht. Sie guckt rüber zu mir und grinst
freundlich, ich versuche vom Zweiten in den Dritten zu schalten ohne die so nah
und kuschelig bei mir sitzende Frau zu berühren. Geht schlecht, so zu dritt im
engen Toyota Cockpit, dazu mit all dem ganzen Plunder der beiden. Ich lächle
bedrückt-freundlich zurück, atme aus, drehe den Kopf nach links, atme durch das
offene Fenster frische Luft ein. Das muss das Procedere sein für die nächsten
Kilometer, meine unmittelbare Entscheidung. Eigenartig wie die Frau immer wieder mit der
flachen Hand auf eine Tasche zwischen ihren Beinen drückt. Eine dieser bunten
aus Kunstsofffäden gewobenen Taschen, Du weisst schon, solche wie sich in grossen Zahlen am
Flughafen in Zürich Kloten auf dem Gepäckförderband in Richtung Schweiz bewegen
wenn ein Flugzeug aus Afrika, Asien oder eben Südamerika angekommen ist. Schon eigenartig,
wie sich diese Tasche immer wieder ausdehnt, kaum hat die Señora von neuem mit der
flachen Hand drauf gedrückt. Sie plaudert mit ihrem Weggefährten irgendetwas in
Quecha, der Sprache der peruanischen Andinos, der Menschen die in den Anden
leben.
Ich sag Dir: Es ist so schwierig da oben spärlich mit der Luft
umzugehen, es gibt ja schon so wenig davon oder Sauerstoff darin zumindest.
Trotzdem, mir stinkt’s! Nun gut. Noch ein Luftzug durch das offene Fenster. Und
plötzlich vermag die Frau der Tasche nicht mehr Herr sein. Aus dem bunten
Kunststoffgewebe reckt sich das kleine rundliche Köpfchen eines Baby-Lamas. Verwundert
gucken mich die schwarzen Kulleraugen, mit riesig zierlichen Wimpern an und schon
reckt sich der lange Hals um aus der Frontscheibe etwas von der Passfahrt mit
zu bekommen. Der Blick der Frau trifft den meinen, zärtlich streicht sie dabei
über das Köpfchen, nein nicht meins, das des gewundrigen Baby-Tierchens und scheint mir mit der einen
hoch gezogenen Augenbraue und dem verschmitzten Lächeln eine Entschuldigung für
den Tiertransport abringen zu wollen. Mir ist’s egal, nein eigentlich entspannt
es mich doch ziemlich, zumal das Tierchen wirklich ganz härzig ist. Vor allem
aber bin ich beruhigt, dass nicht meine menschlichen Passagiere eine derart
tierische Ausdünstung im blue truck verbreiten. Während die zwei Indios vor
allem vom GPS begeistert sind auf dessen kleinem Bildschirm wir gemächlich als
blauer Pfeil den Berg runter rutschen, ist das kleine Lama von der Sicht durch
die Frontscheibe wesentlich mehr angetan. Wie die Tasche nun mal offen ist,
scheint auch der strenge Geruch sich langsam zu mässigen. Unzählige Spitzkehren
später murmelt der Mann etwas was mir signalisiert, dass er aussteigen will.
Flux hopst der Kleine mit einem Teil der Ladung vom Beifahrersitz. Mit einem
knappen „Gracias“ fällt die Tür ins Schloss und Lama, Frau und ich fahren bis
ins nächste Dorf, an dessen Ausgang auch die Frau, ihr Tierchen und eine Menge
bunter Sachen vom Beifahrersitz des blue truck rutschen. Schon richtig gut
gewöhnt hab ich mich, an den deftigen Geissen-Stall-Geruch, trotzdem, das
Fenster bleibt noch einige Kilometer weiter weit offen.
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