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Freitag, 15. Juli 2011

Kreis 5 Treffen in Inuvik - Dempster Highway - Teil Zwei


Dempster südwärts
Am Abend, als ich mein Plätzchen bezog und bei Vern vorbeischaute um zu hören, dass ich sicher müde sei. Er aber gleich ehrlich nachdoppelt er möge keinen Papierkram mehr machen heute Abend, spaziere ich an einem eigenartigen Plätzchen vorbei. Ein regennasses, ein bisschen offenes Kuppelzelt steht in einer Ecke. Zwei holzige Polsterstühle, einer mit grünem Polster, der andere mit violettem Polster, so Typ 80er Jahre Sitzungszimmerstuhl, stehen vor der Lastwagenfelge, die mit aufgeschweisstem Grill als Feuerstelle dient. Dienen würde, darin befindet sich ein Haufen leerer Bierdosen. In der Nacht und auch am frühen Morgen als ich noch in der Sonne sass und mein Bierchen trinke kommt dort niemand mehr an, ich mutmasse, dass da wahrscheinlich jemand wohnt, der Schicht arbeitet und deshalb gar nicht „zu Hause“ ist.

Inuvik at night
Rühreier mit Tomaten, Schinken, Peperoni, mein letztes Stück einigermassen normales Brot und ein Stückchen Gruyère, ja wirklich, richtigen Gruyère made in Switzerland, den hab ich vakuumverpackt in Calgary gekauft und wohlbehütet in meiner Kühlbox bis hier her chauffiert, verzehre ich zum Zmorgä. Als mit dem typischen Pfuddern eines gut durchgerosteten Auspuffs ein alter Ford Minivan mit einer grossen Runde vor den Sitzungszimmerstühlen halt macht. Markus steigt aus, inspiziert kurz sein Camp und steuert dann mit einer elektrischen Handkreissäge in der Hand auf mich zu. „You look like a guy who has everything - do you have electric tape?” Es ist Sonntag, die Läden sind geschossen, mindestens bis Mittag. Viele davon gibt es in Inuvik eh nicht. Den letzten Bissen meines Frühstücks schluckend krabble ich in den blue truck und hole meine Reparaturkiste heraus. Ich reiche Markus mein blaues Isolierband, noch in der Schweiz gekauft und verstaut. Während er das Kabel seiner Maschine repariert plaudern wir, er ist eigentlich aus den Niederlanden, kam aber als 4 Jähriger mit seinen Eltern nach Kanada. Wie ich möchte er bis nach Argentinien reisen. Er hat aber kein Geld gespart und jobbt sich so durch den Trip. Hier oben im Norden hat er nun einen sehr gut bezahlten Job gefunden, Überzeit wird mit 50% Zuschlag entschädigt und er kann so viel arbeiten wie er will. Am Montag geht dann sein Job dort los und heute muss er eben noch einige Schreinerarbeiten für einen Kunden fertig machen, die er zuvor in Eigenregie gemacht hatte, bevor er den Job fand. Er wohnt jetzt im Arbeitercamp, das ist ein Containerdörfchen, von denen gibt es hier im hohen Norden immer wieder welche, einmal für die Strassenbauer, einmal für die Menschen die in Mienen oder auf Oel- oder Gasförderanlagen arbeiten. Deshalb also das verlassene Camp. Die Maschine ist repariert, er geht sie im Duschhäuschen ausprobieren und anscheinend funktioniert sie. Er packt seine Sachen zusammen, ich fahre hoch zum Eingang und suche Vern. Ich plaudere ein wenig mit ihm, über seinen Job, er ist für diverse Campgrounds zuständig die dem Staate gehören, wohnen tut er aber hier in seinem Wohnwagen. Der Job gefällt ihm, „…the money is good too…“  aber er sei nicht hinter dem Geld her, ich soll ihm einfach 5 Dollar geben, das sei was er eigentlich für die Tagesgäste, die einfach zum Grillieren oder so in den Park kommen verlangen müsse. Ich gebe ihm einen 5er, der verschwindet unter der Theke – Papierkram braucht Vern auch am Morgen nicht zu machen. „The money’s good…“

Zusammen mit Markus fahre ich in die Stadt, wir stoppen bei seinem Camp, stellen die Stühle in die Sonne und hängen sein nasses Zelt und den Schlafsack auf. Das Camp ist richtig gross, hat eine grosse Kantine, einen eigenen Security Guard der mit einem Bierchen vor dem grossen Flatscreen TV amerikanische Soaps guckt. Sein Zimmer ist klein und praktisch eingerichtet, Bett mit Kästchen darüber, einen fix eingebauten schmalen Schreibtisch, ein Schrank. Er habe Glück, nicht alle hätten ein Fenster. Es erinnert mich an die Kojen die ich hatte als ich noch auf Schiffen für Sulzer gearbeitet hatte. Nun gibt mir Markus eine kleine Inuvik-Tour, wir besuchen sogar die Kirche, eigentlich die einzige Sehenswürdigkeit in der Stadt. Eine grosse Holzkuppel-Konstruktion, sozusagen ein Igloo aus Holz. Es ist Sonntag und Messe, ein schwarzer Priester brabbelt erregt seine Predigt, ich verstehe nur jedes zehnte Wort das zwar erstaunlich laut aus seinem kaum je geöffneten Mund sprudelt. Leise schleichen wir uns wieder aus der Messe. Markus erzählt mir, dass er zuerst hier in der Stadt auf dem Camping war. Es gibt zwei Plätze in Inuvik, einer direkt in der Stadt, der andere, der Jag-Campground, den ich gewählt hatte, etwas südlich vom Städtchen auf einer Anhöhe. Er sei eigentlich mit seinem Kumpel unterwegs, mit dem reist er eben und möchte ja mit seinem Ford bis nach Argentinien. Nun liegt der aber in Whitehorse im Spital, also der Kumpel. Als sie auf dem Stadt-Camping waren, wurden sie irgendwie in eine Streiterei mit Jugendlichen verwickelt, die ihnen ein Bierchen abnehmen wollten. Markus rennt zur Telefonzelle um die Polizei anzurufen. In dieser kurzen Zeit richten die Jugendlichen seinen Kumpel so arg zu, dass er mit dem Flugzeug nach Whitehorse geflogen werden muss. Bin mir nicht ganz sicher mit den medizinischen Begriffen die er mir erzählte, Hirnschlag oder so, Schlüsselbein gebrochen, Schulter ausgerenkt, Unterarm gebrochen. Unschön – schon auf der kleinen City-Tour sind mir die betrunkenen Indianer aufgefallen. Sonntagmorgen gegen elf – trostlos. Wir fahren zur Tankstelle, ich fülle Diesel auf, Markus wechselt mit dem rostigen Wagenheber der Tankstelle dort im Dreck ein Rad. Während dem Tanken spricht mich Yvi an, Yvi aus Zürich und schon gesellt sich auch Nando dazu. Lustig - beide arbeiten im Kreis 5, in Zürich dort wo ich viele Jahre wohnte. „See you in Argentina!“ verabschiedet sich Markus aus dem offenen Fenster, des nicht gerade viel Vertrauen auf dieses Wiedersehen erweckenden Ford, das Fahrwerk knallt in eine Pfütze, der Auspuff blubbert überall raus, bloss nicht aus dem Endrohr und schon ist Markus weg. Yvi, Nando und ich plaudern lange. Sie verbrachten die Nacht auf dem City-Camping-Platz  und erzählen mir, dass sie sich dort nicht wirklich so wohl gefühlt hätten, der Platz sei zwar bewacht gewesen, respektive hätte die Polizei dort patrouliert. Wohl ein Resultat von Markus‘ unerfreulichen Geschichte. Wir gehen noch einkaufen, unterdessen hat nämlich ein Laden für den Nachmittag geöffnet. Wir verabreden uns unverbindlich für ein Treffen auf einem der Campgrounds am Dempster.

Nach den Geschichten von Markus und der kurzen Tour durchs Städtchen hält mich wenig hier. Die Sonne scheint, als ich mit einem grossen Bogen auf dem Dempster Highway am Hügel auf dem ich campierte vorbei ziehe und wieder Richtung Süden fahre. Ich halte bei einem Aussichtspunkt und mache ein kleines Märschchen. Zurück den blue truck wieder startend, denke ich auf den Highway einbiegend, dass mich Yvi & Nando nun sicher überholt haben. Klick, klick, klick ich stelle meinen linken Blinker, biege etwa eine Stunde später östlich vom Dempster ab, auf den Camping Platz wo ich mich so lose mal mit dem Zürcher Pärchen verabredet hatte. Ich drehe eine Runde. Eine im wahrsten Sinne des Wortes äusserst umfangreiche Dame in blau gestreiften Leggins, Steifen machen ja bekanntlich schlank, und im mit Spitzen bestickten, prall gefüllten BH steht vom Campingstuhl auf und guckt wer da mit leisem Dieselnageln eine Runde auf „ihrem“ Camping Platz dreht. Dunkel wird es nicht gerade, die Sonne steht hoch dort oben weit über dem Polarkreis. Trotzdem ein bleibender Anblick der nicht zum Bleiben einlädt. Keine Spur von den beiden. Wurden sie auch dermassen erschreckt vom seitenscheibenfüllenden Anblick der voluminösen Camperin? Aber ein Pärchen kann doch da nicht so erschrecken wie ein solo-reisender Mann? Yvi & Nando müssen einfach weiter gezogen sein, denke ich. Und glaube es Ihnen gleich zu tun, nichts ahnend, dass ich ihnen eigentlich immer noch voraus bin.





Auf die Fähre wartend, plaudere ich mit Einheimischen die für ein Familientreffen an diesem Sonntagnachmittag nach Tsiigehtchic fahren. Schliesslich sei Vatertag, er müsse sich feiern lassen, sagt der junge Mann als er sich in seinen grossen GM-Pick-Up Truck schwingt und kurz hinter mir auf die Fähre rollt. 


Territorial Grenze, Northwest Territories, Yukon Territories

N66°33` südwärts über den Polarkreis
Es ist schönes Wetter und ich komme gut voran, schon bald auch mit der zweiten Fähre übersetzend, von Yvi & Nando keine Spur. Allmählich denke ich, dass sie wohl doch hinter mir sein müssen und womöglich jetzt auf dem Campingplatz beim spitzenbestickten riesen BH ihre Bleibe aufgeschlagen haben. Ich fahre noch bis zum nächsten Camping, östlich, Nando hatte mir noch abgeraten und gesagt der stehe mehr oder weniger unter Wasser. Die wenigen Stunden schönen Wetters müssen geholfen haben. Nach einer Runde um sicher zu sein, dass ich die zwei nicht noch auf ein und demselben Camping-Platz verfehle, kurve ich in ein sonniges Plätzchen, ich stapfe durch den moosigen Boden und sammle jede Menge Holz, schon bald lodert ein gemütliches Feuer. Der erste Schluck des ersten Bierchens ist immer der Beste.  Nun ist es aber der letzte Schluck meines zweitletzten Bierchens der gerade meine Kehle runter fliesst, als ich den Dodge Ram von Yvi und Nando vorne auf der Einbahnstrasse die in einem grossen Bogen durch den Camping-Platz führt vorbeiblubbern höre. Ich schaffe es nicht die kurze Strecke auf der Zufahrt zu meinem Platz zu sprinten um die beiden noch zu stoppen, da ich weit hinten zwischen den Bäumen versteckt sitze, entdeckten sie den blue truck nicht. Ich renne in die andere Richtung, wenn ich schnell genug bin, erwische ich sie bevor sie womöglich denken da sie mich nicht gefunden hätten noch weiter zu fahren. Ich schaffe es - kurz nach dem ich an der Ausfahrt vorbeigerannt bin erkenne ich den Dodge mit dem grossen weissen Schneckenhäuschen auf der Ladefläche. Wir freuen uns alle drei. „Und brännt’s Für scho?“ sagt Nando zum Spass, stolz und ernst erwidere ich „…ja natürli“. Wir verbringen einen sehr gemütlichen Abend zusammen, grillieren. Yvi und Nando haben noch Kartoffeln und auch Soure Cream, so gibt es zum Steak auch noch richtig feine backed patatos. Nur Bier ist alle, die beiden suchten noch den Liqour Store in Inuvik, der ist aber Sonntag den ganzen Tag geschlossen. Ich offeriere ihnen mein letztes Bierchen, ich hatte ja schon eines gehabt. Sie schlagen das aber vehement aus und so trinken wir halt Wasser, Coci und sonst alles Alkfreies. Ein richtig schöner Abend in Zürcher Gesellschaft. Am Morgen ziehen wir weiter, die beiden sind ein bisschen schneller ready, kommen noch vorbei zum Verabschieden und auch ich starte schon bald den Diesel.

Yvi und Nando weit vor mir auf dem Dempster Hwy
Ihr Auto sehe ich nochmal, weit vor mir von einem der Flugfelder wieder auf den Highway einbiegend. Irgendwann verlieren wir uns aber wieder.

Andreas treffe ich wieder auf meiner Fahrt Richtung Süden. Er rastet gerade, logisch, dass ich stoppe. 

So begegnete ich Andreas zum ersten Mal, auf der Fahrt Richtung Norden
Wir plaudern, er erzählt von seinen Erfahrungen, von der Anstrengung, von Bären. Yvi und Nando kommen vorbei, ein kurzer Stop und ein kurzer Schwatz und der Dodge blubbert Richtung Süden. „Andreas, brauchst Du etwas? Ich kann ja in ein paar Tagen wieder einkaufen, Du bist noch lange unterwegs bis zum nächsten Shop mit frischen Sachen.“ Früchte gebe ich ihm, eine Banane verzehrt er gleich, eine geht als Vorrat auf den Anhänger. Wir füllen seinen Wassersack mit frisch gefiltertem Wasser aus dem blue truck. Yvi und Nando sei dank, dass nun auch das letzte Bierchen so seine Bestimmung findet statt gestern verschlungen worden zu sein. Es wird von Andreas sorgfältig auf seinem Anhänger verstaut. Er freute sich sehr über die Überraschung auf dem Oglivie Pass. Ich freue mich, wie er erzählt, dass er zu Tränen gerührt gewesen sei, dass ihm jemand der ihn überhaupt nicht kennt so viel Mühe machte. So freute er sich damals über diese Büchse Bier...







Überhaupt erlebt er allerhand, ein Motorradfahrer fragt ihn ob ihm den nichts fehlen würde, er meinte ein Bierchen, das wär halt schon was. Die Töfffahrer ziehen von dannen um wenig später wieder aufzutauchen und geben ihm ein ganzes Six-Pack Bier. Woher auch immer die das hatten. Ich bin gespannt dann irgendwann von Andreas zu hören. Bestimmt war seine unwahrscheinliche Reise zu Fuss auf dem Dempster von vielen spannenden Begegnungen begleitet.


Wandern im Tombstone Park

Im Tombstone Park entschliesse ich mich für eine Wanderung. Der Berg versinkt aber zusehends im Nebel und etwa einen Kilometer vor dem Gipfel gebe ich auf, genau auf der unteren Grenze einer dicken Wolke die sich wie eine gigantische Schlafmütze über den Gipfel gepflanzt hat. Bei wunderschöner stetig wechselnder Sonnen-Wolken-Stimmung kann ich von hier oben ein Stück des Highways sehen. Im Vordergrund der Fuss des Berges auf dem ich stehe, dreissig, vielleicht 40 Meter des Highways, im Hintergrund hohe mit einer Schneemütze bedeckte Gipfel, das Stückchen vom Highway glänzt in der Sonne. Ich hoffe, das Yvi und Nando jetzt dort durchfahren. Ich stapfe den pflotischigen Weg hinunter, den Highway immer im Auge behaltend, die Canon baumelt um meinen Hals. Aber nichts ist. Die beiden flitzen nicht vorbei. Das hätte sicher ein schönes Foto gegeben das ich ihnen per E-Mail hätte senden können. Aber noch bevor ich selbst wieder beim blue truck bin wird die ganze Landschaft in dicken Nebel  gehüllt und ich sehe selbst den unweit wartenden blue truck zum Schluss nicht mehr.

BT wartet im Nebel
Die letzten Kilometer beginnt es nochmals zu regnen und das Auto wird erneut richtig, richtig dreckig. Nicht dass es vorher sauber gewesen wäre. 

Dirt Road
+

Regen = Dreck


Beim Dempster Crossing, dort wo ich vor ein paar Tagen Thomas traf, Thomas aus dem Bernbiet, der vor 17 Jahren seiner Frau vor der Hochzeit sagte er müsse dann mal noch auf Alaska, ihn traf ich an der Tankstelle, als ich Richtung Norden aufbrach. Thomas ist mit dem Velo unterwegs für gut zwei Monate. In Anchorage angekommen und über den Top of the World Highway zufälligerweise genau zur gleichen Zeit wie ich beim Dempster Crossing. Nur kurz reden wir und er zieht von dannen mit seinem toll ausgerüsteten Velo. Schon eine gewaltige Leistung hier oben im hohen Norden. Die Distanzen sind enorm. Oft dauert es von einem Roadhouse zum nächsten nicht weniger lange als wenn Du mit dem Auto von St. Gallen nach Genf fährst. Dazwischen – nur Wildnis, Bären, Elche, Füchse, Bäume und Seen. Mit dem Auto, o.k., kein Problem, mit dem Velo, Chapeau! Oder gar zu Fuss, wie der Andreas – Wow.

Kurz nach dem ich für den horrenden Preis von einem Dollar pro Minute die Fenster, Schweinwerfer und Rücklichter des truck’s abgedampft habe, drehe ich rechts Richtung Nord-Westen Richtung Dawson City ab.

Eagle Plains, Parkplatz, Flugplatz, Campingplatz, Tankstelle, Hotel

Ready for take-off?


Der Run-Way war nicht lang genug für den blue truck, wir bleiben am Boden


Mittwoch, 29. Juni 2011

Bären, Wanderer, flache Reifen, wütige Jugendliche – Dempster Highway

Unterwegs auf dem Dempster Highway

Direkt vom zweiten in den vierten Gang schalte ich, im Moment in dem ich eine Anhöhe in den Ogilvie Mountains erreiche, achterbahnmässig kann ich den Verlauf der steilen Strasse hinunter in eine Senke, bevor es etwa drei Kilometer weiter wieder bergauf geht, verfolgen. Der blue truck knurrt auf als ich in den dritten Gang runter schalte und ihn ohne Gas den Berg hinunter schieben lasse. Ich erkenne etwas Rotes auf der anderen Seite in der Steigung, ich denke, es ist einer dieser Wahnsinns Typen die die rund 750 Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegen. Nein - ich erkenne einen Fussgänger! Im Schlepptau einen Anhänger. Nicht in einer Staubwolke nach Luft schnappen müssen soll er, ich verlangsame meine Fahrt, kurz bevor ich ihn passiere, gebe ich im zweiten Gang nochmal richtig Gas, so kann ich trotz der Steigung ohne Gas zu geben an ihm vorbeiziehen und erspare ihm in einer schwarzen Dieselabgaswolke im Rückspielgel verschwinden. Die Strasse hat eine leichte Biegung und trotz des spärlichen Verkehrs kein guter Platz um mitten auf der Strasse zu stoppen. Der blue truck kraxelt auf den Pass, eine Stelle zum Wenden. Langsam rolle ich zurück den Berg hinunter zum einsamen Wanderer, mein Angebot ihm und seinem Anhänger den steilen Anstieg zu ersparen und ihn ein Stück mitzunehmen schlägt er aus. Andreas ist aus Deutschland, den Anhänger hat er sich extra anfertigen lassen um dieses Abenteuer den Dempster Highway zu Fuss zu erobern und sich in Selbstdisziplin, Motivation und Belastbarkeit zu testen, zu bewältigen. Ein kurzes Gespräch und ich verstehe, weshalb Andreas sich und seinen 45 Kilogramm Anhänger nicht per „free ride“ auf den Pass spedieren lassen will. Zwischen 18 und 33 Kilometer marschiert Andreas pro Tag, je nach Terrain und Strassenzustand. Andreas hat auch „meine“ Reise schon gemacht und ist per Wohnmobil von Nordamerika bis in den südlichsten Zipfel Argentiniens gereist. Nach einem kurzen Stück talwärts wende ich wieder und ziehe winkend nordwärts an Andreas vorbei, im Spiegel sehe ich wie er ein Foto schiesst. Noch weiss er nicht, was ihn am Ende der Steigung erwartet, nur ein kurzes Stück geht es bergab, bevor sich die Strasse wieder in einer leichten Biegung steil den Berg hoch zieht. Oben angelangt wird Andreas den Ogilvie Pass erreicht haben. Im Sand am Strassenrand eingekratzt wird er „Für den deutschen Dempster Wanderer, Pause auf dem Gipfel bei der Tafel“ lesen und einem Pfeil der nach rechts weisst folgen. Dort wird Andreas ein Gipfel Bierchen entdecken, dass ich für ihn unter der Tafel deponiere. Meine Gefühle für den einsamen 750 Kilometer Wanderer pendeln zwischen tiefstem Respekt und Wahnsinn. Noch wird er wohl beinahe 20 Marschtage vor sich haben. Später wird mir Andreas erzählen, dass er zu Tränen gerührt war, die Inschrift am Strassenrand zu finden und das Bierchen am Fusse der Gipfeltafel des Passes zu geniessen. Ziel erreicht.


It wasn’t me! – Den Donut hab nicht ich in den Sand gezogen.


Schnelle Wetterwechsel am Dempster Highway

Durch fantastische Landschaften hinauf aus der, hier im extremen Norden viel tiefer liegenden Baumgrenze führt mich der Dempster Highway Richtung Polarkreis.


Regenbogenfarben im Nebel

Bei Kilometer 465 überquere ich die kontinentale Wasserscheide, von hier fliessen alle Gewässer östlich davon ins Polarmeer, alle westlich in den Pazifik. Die Strasse ist meist sehr gut, teilweise sehr steinig, teilweise vom abwechselnd einsetzenden Regen sehr schlammig. Aber kaum schwierige Stellen mit tiefen Schlaglöchern. Den Polarkreis habe ich schon passiert als ich auf einer langen geraden Strecke weit vor mir ein auf dem Highway stehendes Motorrad erkenne, ich lasse den Cruiser ausrollen und nähere mich mit Schritttempo der prächtigen BMW Maschine. Genau wie mein Toyota ist die 1200er GS ganz tüchtig verdreckt. „Hi, do you need help?“ – „Don’t know yet…“ also fahre ich den blue truck ein Stück weiter und stelle ihn mit den Warnblinkern leuchtend auf der linken Strassenseite vor den Töff. Eine Reifenpanne hat für eine unfreiwillige Pause gesorgt. Ein spitzer, nur kleiner, Stein hat sich mitten auf der Lauffläche in den Reifen gebohrt. Der Motorradfahrer aus Ontario - vor lauter Reparatureifer vergessen wir vollkommen uns gegenseitig vorzustellen - hat bereits einen Reparaturversuch gemacht, brachte den Reifen aber nicht dicht. Seine Methode ist dieselbe, welche ich auch angewendet hatte bevor ich meine Reifen in Whitehorse ersetzen liess. Einen kleinen etwa 4 Millimeter langen Riss hat der Stein in den Reifen gerissen, wir stecken eines dieser Reperaturwürstchen in die lecke Stelle, ich halte dieses mit der Spitzzange fest damit es sich nicht gleich mit im inneren des Reifens verabschiedet während er gleich nochmals ein zweites dieser Dinger reinwürgt. Alles noch dick mit Gummilösung eingeschmiert, nützt es nicht so schadet es nicht. Wir warten - dem Vulkanisierungsprozess etwas Zeit gönnend. Ein kleiner Ford SUV braust heran, stoppt und eine einheimische Frau erkundigt sich ob wir o.k. sein. „I think we are… - …thank you“ und schon verschwindet der Wagen in seiner eigenen Staubwolke. Der Biker sucht ganz nervös in seinen Boxen und seiner Ausrüstung die grössten Teils am Strassenrand verteilt liegt, er hätte noch einen Satz dieser Reperaturwürstchen gehabt, sagt er „…just in case…“ für eine allfällige zweite Reparatur. Er kann sie aber nicht mehr finden. In den blue truck gekrabbelt krame ich aus meiner Rep-Kiste ein Set heraus, ich hatte in Whitehorse zwei extra Kits gekauft, widerwillig nimmt er sie an und macht sich Sorgen wenn ich diese auf meinem noch langen Weg auf dem Dempster selbst benötigen würde. „No worries, I have two more sets…“ Wir pumpen den Reifen auf, alles scheint dicht.


Eagle Plains: Parkplatz für Aviation Nuts

„Nur“ noch gut 200 Kilometer und er wird Eagle Plains erreichen und sich den Reifen definitiv reparieren lassen können. Er schenkt mir eine US Army Notration, das ist so ein etwa A4 grosses ca. 5 Zentimeter dickes Paket. Darin soll sich eine ganze Malzeit inklusive einmal Kocher befinden. Es steht gross darauf „Property of the US Government – not for resale“. Flux verschwindet das Food-Paket im Wagen, nichts ahnend was für Probleme mir das Ding beim Grenzübertritt nach Alaska besorgen könnte. Wir verabschieden uns, seine Maschine donnert Richtung Süden, der Toyota Richtung Norden.  


Wohl für den Winter, im Juni ist hier 24 Stunden hell

Ein breites Grinsen eröffnet mir Einblick in ein, für jeden Zahnarzt eine Herausforderung stellendes, Gebiss des indianischen Mädchens das auf der Peel-River Fähre arbeitet, schon kramte ich nach einem Trinkgeld als ich im Rückspiegel sah wie sie einen Scheibenputzschwamm in einem Kessel mit brauner  Brühe tunkt. Glaubte sie putzt mir, verkehrssicherheitsbesorgt, die Rücklichter nach der langen Schlammfahrt. „So, where’re you from?“ steht sie jetzt am Fenster, als der Griff des Scheibenputzers schon wieder in den Eimer geplumpst ist. Ich realisiere, dass es ihr gar nicht um meine Lichter ging, sie hat das Züricher Kennzeichen vom Schlamm befreit – konnte dann aber doch nicht viel mit dem ZH und den kleinen Wäppchen anfangen.


Ein geputztes ZH-Schild

Schon haben wir der Strömung trotzend über den Fluss gesetzt und ich ziehe weiter, Fort McPherson lasse ich links liegen und rolle hinunter zum McKenzie River. Der Arctic Red River fliesst hier in den McKenzie, in der Gabelung der beiden Flüsse liegt Tsiigehtchic. Die Fähre bedient drei Punkte, einerseits setzt sie die Dempster Fahrer über den McKenzie, anderseits peilt sie aber auch das Kiesbett welches in der Mündung liegt und Tsiigehtchic so mit dem Dempster Highway verbindet an. Die Strömung ist stark, man glaubt die Fähre würde einem nie abholen, wenn sie unter lautem Dieselgedröhne stromaufwärts zieht um dann in einem grossen Bogen doch noch in der Strömung driftend zurück an die Anlegestelle zu finden. Die Motoren laufen auf vollen Touren wenn sich das Schiff gegen das Flussufer drückt und die Rampe im schlammigen Kies aufschlägt. Ein Ford Pick-up versinkt Reifentief im nassen Untergrund und kämpft sich hoch auf die Strasse als mir der Fährmann zuwinkt und ich den Cruiser auf die Fähre steure. 


Blue trucks unter sich


Zwei Lastwagen haben sich unterdessen in die Schlange gestellt hinter mir und nach wenigen Minuten hebt sich die Rampe, der Dieselmotor der Fähre wird kurz ruhiger um unmittelbar wieder aufzuheulen und wir stechen in die Strömung des McKenzie. Es ist schon spät abends, die Sonne scheint, ich entschliesse mich noch bis Inuvik weiter zu fahren.

Er möge sich jetzt nicht mehr um den Papierkram kümmern, ich solle doch morgen vorbeischauen sagt Vern der den offiziellen Campingplatz für die Gemeinde managed. Ich setze mich in die Mitternachtssonne und trinke zufrieden noch zwei Bierchen, bevor ich mich nichtsahnend in meine Koje verziehe. Das wilde Bellen von Vern’s Hündchen lässt mich aufwachen, ich höre ein Getrampel rund um den blue truck, spähe schlaftrunken durch das Moskitonetz, kann aber nichts erkennen, noch eine Weile hallt das Bellen des Hündchen in der Wildnis, weit weg stimmen Coyoten mit wildem Geheule ein. Schon schlafe ich wieder. Es ist am Morgen erst, als ich anhand der vielen Elchscheisse rund um den blue truck die Identität meines nächtlichen Besuchers ausmachen kann. Der hätte seinen Kopf wohl grad etwa auf derselben Höhe gehabt wie ich, als ich durchs Moskitonetz aus meinem Schlafzimmer spähte. Da hätt ich ja nicht schlecht gestaunt mit dem Tierchen Auge in Auge zu sein.

„You look like a guy who has everything…“ so lerne ich Markus kennen, davon, von den wütigen Jugendlichen und von meinem ungeplanten Treffen mit zwei Zürich Kreis 5 Gspöhnli am nördlichsten erfahrbaren Punkt von Kanada später mehr. Dempster Highway – Fortsetzung folgt.    

Nebel am Wright Pass
66°33' Zum ersten Mal über den Polarkreis

Dempster Highway

Das Putzen des Fähr-Girls hat nicht lange gehalten - blättert hier Zürich ab?