4. Dezember 2014: In der vergangenen Nacht
schaukelte sich das Schiff spät nachts einmal ordentlich auf, das eine oder
andere Ding in unserer Kabine hat sich lautstark zu Boden gestürzt. Was für ein
Segen, diesen Up-Grade bekommen zu haben, denke ich wie ich durch das Kabinenfenster,
welches eben der gewichtige Unterschied ist mit dem uns der Up-Grade segnete,
in den frühen noch beinahe dunklen Morgen schaue. Weit entfernt kann man
schwache Lichter an Afrikas Ostküste erkennen. Die sich kräuselnden Wellen sind
ganz und gar verschwunden und auch die endlosen, langgezogenen Schwünge, die
die Meeresoberfläche wie ein unendlicher fliegender Teppich erscheinen liessen
haben sich gelegt.
Wie beiläufig beim Hinausgehen
nach dem Frühstück erwähnt der, einmal gesprächige wie ein Buch und einmal
verschlossene wie ein Tresor, Kapitän, dass wir gegen Mittag in Dakar ankommen
sollen. Dakar hat unter den Grimaldi Reisenden einen sprichwörtlich schlechten
Ruf. Hier soll es sein, wo ein Afrika eigenes Chaos am Hafen herrschen soll.
Falsche mit Leuchtwesten und Helm bestückte schwarze Männer, sollen sich nicht
von den richtigen und echten Hafenarbeitern unterscheiden lassen und ein
undurchschaubares Kuddelmuddel von Kommen und Gehen soll den senegalischen
Hafen auszeichnen. Hier soll es sein, wo die Grimaldi Schiffe gerne mit einem
Wohnmobil an Bord, dessen Fenster aufgehebelt wurde oder deren Werkzeugkiste
sich auf sonderbare Weise geleert hat, wieder in See stechen. Trotzdem freue
ich mich. Es wird sicher spannend und gibt willkommene Abwechslung nach den
Tagen auf offener See. Wir einigen uns unter den Passagieren, nochmals runter
zu den Fahrzeugen zu gehen, ich verschliesse die Seitenscheiben, welche ich
zwecks Lüftung einen klitzekleinen Spalt offen liess, checke alle Spanngurten
und überprüfe, dass auch sicher alles verschlossen ist. Dann steigen wir wieder
hoch auf Deck 12. Unterwegs zum Mittagessen scheint mir schon, der Kahn habe
seine Geschwindigkeit markant gedrosselt.
Nach dem Mittagessen oben auf
Deck 13, weiss Olivier, der irgendwie immer alles weiss, dass unser Dock zur
Zeit noch besetzt ist von einem anderen grossen RoRo Schiff, dass gar von hier
aus, mächtig nur von den grössten Häuser der Stadt überragt zu sehen ist,
blockiert sei. Zum ersten Mal auf diesem Trip schnellt der 17 Tonnen schwere
Anker in die Tiefe. Sicher bin ich mir nicht, ob ich die Kette wirklich rasseln
höre, oder ob ich es mir nur des Ankerprozesses bewusst, einbilde. Während die
Hilfsmotoren hochlaufen und der Hauptmotor runter gefahren wird, steuern schon
kleine bunte Schiff von weither mit Kurs auf uns über die riesige Bucht. Meist
von drei Schwarzen besetzt. Darf man überhaupt noch Schwarze schreiben? Also in
Amerika sind das ja politisch korrekt Afroamerikaner, ist dann ein Schwarzer in
Afrika ein Afroafrikaner? Aber das ist ja dann eigentlich Pleonasmus, hätte mir
bestimmt mein Lehrer Widmer damals in Unterkulm im Aufsatzheft mit rotem Filzer
an den rechten Seitenrand korrigiert. Ist ja egal, Du weisst was ich mein‘. Da
sitzen eben drei Männer im Boot und weiss sind sie nicht. Einer steuert das
schmale einbaumartige Schiffchen am pfudernden Aussenborder, einer hockt in der
Mitte über einer Styropor-Kühlkiste und der Dritte, sozusagen der CSO, Chief
Safety Officer, sitzt vorne im Bug und schöpft mit einer abgeschnittenen
Pet-Flasche laufend Wasser aus dem anscheinend nicht durchgängig dichten Boot,
oder sind es einfach die Wellen, die das Bötchen nach und nach mit salzigem
Nass belasten. Von hier oben über 30 Meter über der Meeresoberfläche und auf
einem 34 Meter breiten und 214 Meter langen Kahn, erscheint die See ruhig, wie
ich die Burschen in ihren Einbäumen hin und her, auf und ab schaukeln sehe
relativiert sich allerdings der Begriff der ruhigen See. Das erste dieser
bunten Schiffchen peilt den Bug der Grande Francia an, als ob die Wellen den
Burschen im Einbaum das Leben nicht schon schwer genug machen würden, steht der
Typ in der Mitte, nach einem Griff in die Styropor-Box auf und winkt wild mit
zwei Fischen, die sie anbieten. Vorne beim kleinen Balkon auf dem ich selbst
vor ein paar Tagen noch, während der Schiffstour stand, schaukelt das kleine
Schiff auf und ab sie bieten der Besatzung der Grimaldi ihre Fische an.
Draussen auf Deck stehend gucke ich aufs Meer Richtung Dakar, ein anderes
dieser bunten Schiffchen mit ihrer Dreier-Besatzung peilt direkt auf mich zu
und verlangsamt seinen Speed, der Typ am Ruder bringt das kleine Schaukelnde
Ding rund 30 Meter unter mir beinahe zum Stehen. „What you want?“ ruft einer
mit afrofranzösischem Akzent aus vollem Hals die Schiffswand hoch. „Nothing – Thank you! Rien, merci!“
rufe ich runter. Er wieder: „What you want? – Fish? – What you want? – Girl,
want Girl? – Alcohol, want Alcohol? – Want Girl, Girl?” – “Thank you, nothing,
good luck!” rufe ich wieder runter. “What you want?” Ich gebe keine
Antwort mehr und zieh mich schon mal ein bisschen von der Reling zurück. Das
Schiffchen steuert auf das Heck zu, wo die Philipinos unterdessen am Fischen
sind. Kurze Zeit später knattert der besagte Einbaum weiter in Richtung eines
grossen Container Schiffes, das etwa zwei Kilometer hinter uns vor Anker liegt.
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"What you want?" |
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"Want fish?" |
Bis am späteren Nachmittag ist es
ein Kommen und ein Gehen, der bunten Boote, dann qualmt es aus dem grossen
dicken Schornstein und das Wasser hinter der Grande Francia kräuselt sich wild
und formt kleine, weiss beschäumte Wirbel. Der Anker reisst sich aus dem
schlammigen Untergrund und die siebzehn Tonnen werden eingezogen, ein Wolke
trüben, dreckigen Wassers verfärbt die Wogen vor unserem Schiff, dann setzen
sich die vielen Tonnen langsam in Bewegung Richtung Hafeneinfahrt.
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Der Pilot braus heran... |
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...und kommt an Board und schon... |
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...saust sein "Taxi" wieder davon. |
Erst kurz
vor den Hafen Mauern schaukelt ein kleines, schwarz qualmendes Boot Richtung
des Grimaldi Kahns, es Bedarf zwei, drei Anläufe, bis der Lotse die
Strickleiter schnappen kann und sich vom wild auf und ab tobenden kleinen Boot
an Bord der Grande Francia hochangeln kann. Das mit Pilot P14 gekennzeichnete
Boot steuert sofort weg und zurück Richtung Hafen, die Piloten Leiter
verschwindet sofort wieder im inneren unseres Ozeankreuzers, der sich nun
gemächlich in den grossen Hafen von Dakar bewegt. Ein Tug, ein Schlepper,
nähert sich mit unwahrscheinlich dreckigem Qualm aus seinem Auspuff und einem
Geknatter, das ganz ähnlich tönt wie als ich den 4.2 Liter Diesel des Toyotas
mal ohne Auspuff laufen liess. Das Tau des Schleppers wird an Bord genommen und
auf der Grande Francia verschlauft. Zuerst gibt der Schlepper ein wenig Seil
und schaukelt in den Wogen weg vom Schiff, dann heult der Motor auf, das Schiff
qualmt, die Winde spannt das Seil, ich bin erstaunt, ich denke mir noch,
eigenartig, die Afrikaner verwenden ein Stahlseil, das gibt doch gar nicht
nach, wie eines der typischen Kunstseil Taue die wir sonst überall gesehen
haben.
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Erster Versuch |
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Zweiter Versuch |
Der Schlepper zieht mit heulenden Triebwerken am Schiff, ein Knall und
die stahlseilerne Verbindung zwischen Schlepper und Grande Francia fliegt einem
wild gewordenen Gartenschlauch ähnlich, durch die Luft. Der Kapitän und die
italienischen Offiziere draussen auf der T-Brücke der Grande Francia lachen,
dann führt der Kapitän sein Walkie-Talkie vors Gesicht. Neuer Versuch, dies Mal
angelt sich der Matrose an Deck des Schleppers mit einer Aluminiumstange das
Tau der Grande Francia und verknüpft es an Bord des Schleppers. Dieser
Operation ist mehr Erfolg beschieden.
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Einfahrt... |
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...ans Dock in Dakar, Senegal. |
Vorbei an einem Dock in dem schon ein
grosses, rot-weisses RoRo Schiff steht, werden wir sicher und langsam an unser
Dock manövriert. Das Dock schein übersät mit Fahrzeugen und Containern. Ein
Unmenge gebrauchter Lastwagen, Baumaschinen und Personenwagen sind dicht an
dicht geparkt, viele sind mit so dickem, dreckigen Staub bedeckt, dass sich
ihre Farbe kaum mehr erkennen lässt. Dazwischen erkenne ich aber auch eine
ganze Gruppe neuer, grüner Mercedes Sattelzugmaschinen. An einem anderen Ende
Reihen sich viele, neue schneeweise Lastwagen verschiedener Modell und
Hersteller aneinander. Einige tragen ein grossen UN auf der Seite und auf dem
Dach, andere sind nicht gekennzeichnet. Vor allem erstaunt es mich einige
Mercedes Modelle aus den 80er Jahren zu sehen, die aussehen als wären sie brandneu,
mit schönen, glänzenden weissen Plachenverdecken und mit ebenso neu aussehenden
kleinen Einachsanhängern am Haken. Spannend, was da alles rumsteht, nur,
sonderlich viel Platz scheint es am Dock nicht zugeben. Die grosse Klappe der
Grande Francia steht schon eine ganze Weile offen, aber passiert ist bis dahin
noch nicht viel. Wir gehen Abendessen.
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Wenig Platz,... |
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...viel Neues... |
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...scheinbar Neues... |
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...vor allem aber viel Gebrauchtes... |
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...am Hafen in... |
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Dakar. |
Zurück an Deck, bin ich erstaunt,
wie ruhig und gesittet es hier am Hafen zu und her geht. Bis die Nacht sich
über den Hafen und unser Schiff legt ist noch nicht viel vom sprichwörtlichen
afrikanischen Tohuwabohu zu sehen.
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Danke für all Deine coolen Geschichten !
AntwortenLöschenLuki, danke Dir, dass Du immer mit dabei bist. Sehr schön.
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