1. Dezember:
Ich lese Donna Leon’s Roman Blutige Steine. Draussen auf Deck nach dem Frühstück, noch ahne ich bei
prächtigem blauen Himmel und angenehmem Wind nichts von den am frühen
Nachmittag aufkommenden Wolken. Die Fahrt geht weiter Richtung Nordosten, dem
Äquator entgegen. Spielt sich zwar nichts auf einem Schiff ab und trotzdem
passt der Roman mit Comissario Brunetti perfekt. Brunetti wohnt und arbeitet in
Venedig, wo er entgegen den Befehlen seines Chefs, der ihm den Fall entzog,
weiter an der Ermordung eines schwarzen, illegalen Einwanderers ermittelt. Die
herrliche italienische Art und deren Beschreibung passt perfekt hierher. Die
Espressi die bei jeder erdenklichen Gelegenheit gestürzt werden genauso wie der
Wein, der sich der Comissario gönnt, wenn er über Mittag nach Hause fährt, wo
seine Frau jeweils ein mehrgängiges Mittagessen auftischt, das er zu Tisch mit
Tochter Chiara und Sohn Raffi verschlingt. Danach gibt’s – genau - Espresso.
Und einen Grappa. Dann folgt der Marsch durch das neblige Venedig, zurück an
die Arbeit. Wenn der Comissario mit den amerikanischen Touristen, die Zeugen
des Mordes sind, spricht, muss ich unweigerlich an unseren Kapitän denken und
stelle mir Brunnetti vor, wie er mit einem ebenso herrlich italienisch
akzentuierten Englisch auf die Amis einredet. Dieses lange Singsong mit Höhen
und Tiefen in der Betonung und des, von wilder Gestikulierei begleitet, in die
Länge ziehen der englischen Wörter. Die blumig und tonvollen Sätze die mal ganz
abrupt enden und sich dann wieder, jedes Satzzeichens ignorierend in einem
Fluss ohne Ende dahin ziehen. Genau so stell ich mir vor, geht das zu und her,
wenn Brunetti in einem Café in Venedig das amerikanische Paar in ihren
Turnschuhen und mit den bunten Kleidern interviewt. Auch der Schwarze passt in
Anbetracht unseres nächsten Hafens, Dakar ganz gut ins Bild.
Ansonsten passeiert heute wenig.
Ein schöner Tag mit mässigem Wind der sich eben erst am Nachmittag verstärkt
und den Himmel ein bisschen zu früh verdunkelt. Mit 15 Knoten, knapp 30 km/h
ziehen wir nordostwärts, auch nachts, wenn ich mich hinlege noch, mit direktem
Kurs auf Senegals grösste Stadt, Dakar.
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