22. November 2014: Essen – Frühstück 7:30 Uhr,
irgendwie dreht sich hier immer alles ums Essen. Es sind die einzigen Fixpunkte
in unserem Tagesablauf als Passagiere auf der Grande Francia. 7:30, 12:00,
18:00. Heute ist Schluss damit. Beim Mittagessen erhält Ursi auf Italienisch
den Auftrag allen mitzuteilen, dass wir heute Nachmittag um 16:00 bereit sein
sollen im Aufenthaltsraum: Sicherheitsinstruktionen.
Na da haben wir’s doch. Kaum
machst Du Dich nach der grossen, langen Freiheit auf nach Hause, geht es schon
los mit den Terminen. Funktioniert, kurz vor 16:00 sind fast alle bereit und
warten im Aufenthaltsraum auf die Instruktionen. Die letzten zwei, noch zu
wenig willig sich wieder an Termine zu gewöhnen, werden von Olivier aus der
Kabine geklopft. Haji, ein symphytischer Philipino und sein Model, ein ebensolcher,
zeigen uns wie das alles geht. In unserer Kabine gibt es nicht nur eine
Life-Vest, sondern auch eine riesige Tasche und ein Bauhelm. In der Tasche
steckt ein kompletter Neopren-Wärmeanzug, der dem überleben, vor allem im
Nordatlantik dienlich erscheint, sollte man mal gerade nicht auf sondern neben
dem Schiff sein. Wie ich da so im Sofa des Aufenthaltsraumes hänge und den zwei
Typen zusehe, wie sie uns das Anziehen der Life-Vest vordemonstrieren wird mir
urplötzlich gewahr, weshalb ich von der Hochseeschifffahrt als
Grossdieselmotoren-Monteur in die Fliegerei gewechselt habe. Blenden wir die
übergewichtige American Airlines Flight Attendant Grossmutter und den
schmalzig-süssen schwulen Flight Attendant mal aus, ist die
Sicherheits-Instruktion alles in allem doch auf den Flugzeugen wesentlich
genüsslicher zu verfolgen, als hier auf dem Schiff. Gut, die zwei können ja
auch nichts dafür und ich bin ja nur einer von 9 Passagieren, und vier davon
sind Damen, die sehen das bestimmt ein bisschen anders als ich. Und dann gibt
es auf dem Flieger ja, bis jetzt, auch noch kein Ganzkörper-Neopren-Anzug unter
dem Stuhl. Trotzdem, eindrücklich, der Anzug hat Füsse und Fingerlinge, die
noch zusätzlich durch Fäustlinge ergänzt werden können. Erstaunlich wie schnell
der Kumpel von Haji im Anzug verschwindet, bis nur noch seine Nasen und Augen
rausgucken. Darüber jetzt die Life-Vest und – der Bauhelm, der mir eher ein
bisschen komisch vorkommen will. Haji erklärt uns eindrücklich, dass wir, so
ausgerüstet im Notfall, falls keines der Rettungsboote erreichbar schiene, auch
einfach von Board springen könnten, erst mal unten floaten, bis irgendwo ein
Rettungsboot zu Wasser gelassen wird. Alles logisch und cool, bloss - der Bauhelm
kommt mir immer noch ein wenig komisch vor, spring ich da vom 43 Meter hohen
Deck runter in die Wellen, trifft mich da nicht als erstes Mal der verdammte
Bauhelm auf den Kopf sobald ich wieder aus den Fluten auftauche. Egal. Die
Schaumfeuerlöscher werden uns erklärt und dass man das Schnäbbeli derselben
schon richtig anpacken muss und Richtung Feuer zielen, ganz wie im richtigen
Leben, weil der Schlauch sonst wie ein Gartenschlauch unter Druck wild in der
Gegend rum schäumt und ganz vergisst wo’s überhaupt brennt. Die Stationen mit
den Feuerwehrschläuchen und den Hydranten werden uns gezeigt. Wie man den
Schlauch anschliesst und den Hydranten aufdreht. Dann gehen wir raus an Deck.
Die „Muster Station“ ist wo wir uns im Falle eines Alarms alle einfinden
sollen. Von dort geht’s direkt in die grossen Rettungsboote, welche je
eine Kapazität von 46 Menschen haben. Beruhigend, denn es gibt zwei davon und
ob die Grande Francia nun Star- oder Backboardseitig kentern würde, wir hätten
alle in einem der boote Platz Crew und Passagiere zusammen sind wir 39. Dazu
gibt es zwei Rettungsinseln, die sich beim Sinken des Schiffes von selbst
auslösen, aufpumpen und an die Wasseroberfläche poppen, genauso wie die
Rettungsboote, Vollpension mit Wasser und Food für alle, in den Rettungsinseln für je 12 Menschen.
Mann über Board! Ist unser
nächstes Training, erst mal einen Rettungsring schnappen und rauswerfen und
dann aber sofort Bescheid geben, schnell, schnell, die Brücke alarmieren. Wir
machen uns Gedanken, wie schnell einer da wohl verloren geht bis die vielen
Tonnen und über 200 Meter dieses Schiffes zum Stopp kommen. Ein schlimmer
Gedanke da draussen die Grande Francia davon brausen zu sehen. Ich erinnere
mich an den Artikel, den ich auf einer on-line Plattform, als ich in Mexico
unterwegs war, gelesen habe. Eine Gruppe junger Amerikaner hatte irgendwo in der
Karibik ein Segelschiff gechartert, damit sind sie alle ganz glücklich
losgesaust. Irgendwo weit draussen, rollten sie die Segel ein und die ersten
sprangen übermütig von Deck ins glasklare Karibikwasser, einer nach dem anderen
folgten, bis das Boot unbemannt da im ruhigen Wasser lag. Bloss keiner hatte daran
gedacht die Strickleiter zum Wiedereinstieg über Board zu hängen. Die
glitschige Kunststoffschale bot den jungen Charter-Seglern keine Möglichkeit
sich an irgendetwas festzuklammern. Das Dinggy festgezurrt oben auf Deck. Alle samt
ertranken sie, einer kleinen übermütigen Unachtsamkeit wegen. Da schliesst sich
der Kreis, auch wenn mir die hübschen Flight Attendants besser gefallen als die
zwei freundlichen Matrosen, zu See und in der Luft gibt es für vieles kein
Pardon, es gibt Fehler die werden nicht verziehen, die fordern ihren sehr hohen
Preis.
Der Rest des Tages ist geruhsam,
nach knapp einer Stunde Notfall-Gruselkabinett werden wir entlassen, noch ein
bisschen Rudermaschine, noch ein bisschen Abendessen, noch ein bisschen
Sonnenuntergang an Deck und schon wieder schön in den Schlaf geschaukelt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen