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Sonntag, 11. Januar 2015

Grimaldi Tag 13/Teil 1: Die Maschine

29. November 2014: Noch ahne ich nicht, was für ein eventgeladener Tag sich anbahnt, wie ich mich morgens aus den Laken schäle. Ist ja alles relativ, wenn Du Dich einmal an maximal drei Termine - Morgen-, Mittag- und Abendessen - pro Tag gewöhnt hast, sorgt schon das eine oder andere drüber hinaus für einen ereignisreichen Tag. Gleich nach dem Frühstück kommt die Info, wer den Engine Room sehen will, solle um 10:15 vor dem Fitnessraum ready sein. Also eigentlich weiss ich gar nicht wie und woher die Info kommt, es ist Mathieu, der gleich nach dem letzten Kaffee zu berichten weiss: „If yü wönt tü sii thä engine-rüüm, yü häv to bi rädy in frönt öf the gym at 10:15“.  Oh wie ich das mag, das Englisch mit all diesen Akzenten, sicher höre ich mich auch ganz lustig an für die anderen. Nur zu gut kann ich mir vorstellen, wie die in Dallas, wo ich vier Jahre einen Betrieb geleitet habe, wohl immer im Pausenraum gewitzelt haben nach dem ich im Hangar irgend eine Mitarbeiter-Information zum Besten gab. Und hier an Bord ist ja niemand wirklich Englischer Muttersprache. Schon witzig.

Auf jeden Fall muss mich, als alter Schiffsmotoren-Monteur, natürlich niemand zweimal bitten, auf einen Rundgang durch die Tiefen des Maschinenraums mitzukommen. Geschlossene Schuhe und der Schutzhelm, der auf unserem Schrank liegt, das sind die zwei einzigen Vorgaben. Wie wir uns ready machen witzelt Ursi, wie oft, über mich und mein Liebe zur Pünktlichkeit, so auch heute, bünzlig-schweizerischer könne man gar nicht mehr sein, als immer überall auf die Minute genau anzutraben meint sie. Mir egal! Ich stehe trotzdem pünktlich um 10:15 Uhr vor der Türe zum Gym. Übrigens - Ursi auch. Und alle anderen Passagiere ebenso, ausser Isabelle, sie ist „au boulot“ kommentiert Francis kurz, was heisst, sie kommt nicht mit, sie muss „arbeiten“. Sie hätte es schon auf der Hinfahrt mit der Grimaldi gesehen, die Maschine. Der Chief Mate erscheint wenige Minuten später. Ein grosser Typ, ein Seemann wie er nicht authentischer im schönsten Bilderbüchlein gezeichnet sein könnte. Nackenlange nach hinten gekämmte, immer ein bisschen nass oder verschwitzt wirkende Haare, ein prächtiger Vollbart, wie ihn sich Sankt Nikolaus in einer grauen Ausführung nicht besser wünschen würde, kräftige Unterarme, einzig hier versagt das Klischee, weder eine tätowierte Meerjungfrau noch das verewigte Bild eines Ankers zieren die Seemanns-Arme. Einzig ein kleines in Schnörkelschrift gestochenes Agata steht wie eine kleine Verlängerung des Daumens Richtung Handgelenk auf seiner linken Hand. Die Braut im Heimathafen, die Tochter, gar Mutter? Sein Geheimnis, und das soll es bleiben.

Im Maschinenraum: Im Vordergrund der teilzerlegte Kolben im roten
Gestell. Im Hintergrund links, die Ersatz Zylinderbüchse. Rechts vier der 
acht Zylinderköpfe. Die silbernfarbenen Leitungen sind die Treibstofflietungen
die zu den Einspritzpumpendüsen oben auf dem Zylinderkopf führen.

Und schon steigen wir die Stufen im Treppenhaus hinunter. Eine eigenartige Vertrautheit schwappt mir entgegen wie wir durch die Türe steigen und auf der Galerie, flankiert von gelben Geländern durch den Maschinenraum zum klimatisierten Kontrollzentrum rüber marschieren. Über 20 Jahre sind es her, seit ich selbst in diesem Umfeld gewerkelt habe. Von Winterthur aus wurde ich in alle Welt versandt um an den Sulzer Dieselmotoren zu schaffen. Ein demontierter Kolben steht unten im Motorraum, sauber eingepackt und am Geländer verzurrt. Auf einem Podest unterhalb der Galerie thront eine fast zwei Mann hohe Ersatz Zylinderbuchse. Die Türe hinter uns fällt ins Schloss, die angenehm kühle Luft im klimatisierten Kontrollraum lässt uns aufatmen, noch mehr die Ruhe im schallisolierten Kommandozentrum. Zwar surrt und knackt es von den ganzen elektrischen Installationen aber im Vergleich zu draussen auf der Galerie über der Maschine ist es hier schon fast mäuschenstill. Der First Officer erwähnt kurz, dass er den Chief Engineer holen werde und verschwindet aus der Tür, gegenüber liegend von der durch die wir eingetreten sind. Gewöhnungsbedürftig, die Mannschaft wird einem immer erst mit dem Titel vorgestellt und vorerst fehlt einem so immer ein richtiger Name zur Person. Aber auch o.k., so habe ich einen Namen weniger, den ich mir, nicht immer erfolgreich, zu merken versuche.

Hightech im Kontrollraum

Der Chief Engineer erklärtt uns den Kontrollraum

Am Bildschirm können die verschiedenstend Infos abgerufen werden.

Wir erfahren eine Menge interessanter Dinge, für einen Techniker interessant jedenfalls. Der acht Zylinder Reihen-Diesel-Motor ist ein Zweitakter. Regelmässige Wartung, selbst das Austauschen der Kolben oder Kolbenringe wird alles unterwegs, das heisst im Hafen gemacht. Ernsthaftere Wartung wird aufgeschoben bis zur jährlichen Trockendock Zeit des Schiffes und wirkliche umfangreiche Überholungsarbeiten fallen nur alle 8‘000 Betriebsstunden an.      Ich erkundige mich nach dem Hersteller der Maschine und freue mich über die Antwort: „Sulzer Engine, from Switzerland“. Kein Wunder, kam mir alles ein wenig bekannt vor eben. Nur hier im Kontrollraum muss ich sagen, da hat es nicht mehr allzu viel mit dem zu tun was ich noch kannte. Zwar gibt es immer noch etliche analoge Instrumente, von einem können wir so auch die Drehzahl des Hauptmotors ablesen. Er knurrt mit knapp unter 100 Umdrehungen/Minute. 117 ist die Nenndrehzahl bei der die Maschine ihre Höchstleistung bringt. Zurzeit läuft die Maschine etwas unter 80% ihrer Belastung. Wir sind jetzt mit 15 Knoten unterwegs, die Abfertigung in Zarate, Santos und Vitoria hat uns einen Vorsprung gegeben und wir sind knapp zwei Tage „ahead of schedule“. Deshalb hat der Kapitän auf Instruktion von Italien die Reisegeschwindigkeit von den möglichen und üblichen 17 auf 15 Knoten reduziert. Das spart - jetzt halt Dich fest - 10 Tonnen, ja du liest schon richtig, 10 Tonnen Rohöl pro Tag. So verheizt der 8 Zylinder lediglich die Kleinigkeit von 38 Tonnen, statt der veranschlagten 48 Tonnen bei der Reisegeschwindigkeit von 17 Knoten. Später wird der Kapitän uns erklären, dass es zwar dienlich ist immer ein bisschen Reserve zu haben, sprich ein, zwei Tage vor dem eigentlichen Plan unterwegs zu sein, weil es immer irgendwo sein kann, dass man länger warten muss bis man in den Hafen kommt oder schlechten Wetters wegen nicht so schnell wie gewünscht vorankommt aber natürlich trotzdem um immense Summen geht die eingespart werden können. Heute haben wir gutes Wetter, lediglich der Südostwind macht dem grossen Schiff zu schaffen. Das mächtige über 40 Meter über den Meeresspiegel emporragende Schiff bietet dem Wind reichlich Angriffsfläche, um das Schiff auf Kurs zu halten muss das Ruder leicht eingeschlagen stehen, obwohl wir keine Kurve fahren und einen direkten Kurs Richtung Dakar innehaben. Das kostet Power und Treibstoff. Bei starkem Wind könne der Verbrauch um bis zu 30% steigen, lernen wir.

Die Viertakt Motoren, welche nur in Betrieb sind, wenn der
Hauptmotor, der Zweitakter nicht läuft.

Und die angeflanschten Generatoren.

 Also hier noch ein bisschen mehr Infos für technikbegeisterte, alle anderen können den Abschnitt getrost überspringen. Der Hauptmotor verfügt nicht über ein Getriebe, das heisst sobald die Maschine läuft, dreht auch die Schiffschraube. Diese lässt sich aber, wie bei einem Flugzeug der Propeller, verstellen. Das heisst der Pitch der einzelnen Blätter wird verstellt, wenn die Maschine gestartet wird so, dass es keinen Rück- oder Vorschub gibt, ansonsten würde das Schiff sofort nach Motorenstart unkontrollierbar zu fahren beginnen da ja die Schraube fix mit der Kurbelwelle des Sulzer Triebwerks verflanscht ist. Die Verstellung des Propellers erfolgt hydraulisch, die Hydraulikpumpen ihrerseits sind elektrisch angetrieben, so übrigens für das gesamte hydraulische System des Schiffes, wie zum Beispiel die Betätigung der Rampe, der Winden und so weiter. Der Hauptmotor verfügt über einen riesigen Schaft-Generator. Das ist ein Generator, der unmittelbar hinter dem Motor steht und die gesamte Stromversorgung sicherstellt wenn der Hauptmotor läuft. Ein bordeigenes Kraftwerk im wahrsten Sinne. Steht das Schiff am Dock oder liegt am Anker, läuft die der Hauptmotor nicht, dann übernehmen 4 Sulzer Viertakt-Diesel-Motoren die Stromversorgung. Für den Normalverbrauch werden lediglich zwei, auf 80% Leistung laufende, 4-Takter bzw. der Strom ihrer Generatoren benötigt. Gestartet werden alle Motoren mit Druckluft. Dafür stehen drei grosse Kompressoren zur Verfügung, welche die Luft auf 30 bar Druck verdichten, welche für den Start der Zündfolge entsprechend direkt in die Zylinder eingeblasen wird. Das weckt Erinnerungen, während meiner Lehre gab es noch Lastwagen, die waren damals schon alt, aus Schweizer Produktion, die wurden auch mit Druckluft gestartet, allerdings war das ein Druckluft betriebener Anlasser, wenn ich mich richtig entsinne. Eigentlich eine coole Sache, bloss wenn der Wagen lange gestanden war und über kleine Lecks Druck verlor, gab es, ähnlich einer flachen Batterie an Deinem Auto, kein Starten mehr ohne die Hilfe eines anderen Lastwagens, der Dir die nötige Druckluft spendierte. Auf der Strasse längst ausgestorben, das Starten mit Luft, gibt es auf dem Schiff kaum eine andere Möglichkeit. Ein elektrischer Starter für einen Zweitaktdieselmotor mit den Ausmassen eines kleinen Einfamilienhauses müsste riesig sein und bedürfte dermassen viel Strom und dermassen grosser Batterien, dass dies wohl kaum realistisch wäre.

Der Schaft, fest mit der Kurbelwelle des Motors verbunden.

Zurück in den Kontrollraum, hier wo wir ja all diese spannenden Dinge lernen. Und noch weiter zurück, eben in die frühen 90er Jahre, als ich selbst noch an diesen mächtigen Maschinen handanlegen durfte, damals wäre es unvorstellbar gewesen, dass die Maschinen, Generatoren, Trafos und alles so kontrolliert und überwacht waren, dass gar nicht wirklich jemand unten im Kontrollraum sein müsste. Heute können auf zwei Bildschirmen via Maus und Tastatur hunderte von Infos abgerufen werden. Druck in den Zylindern, die Temperaturen am Zylinderkopf, unten im Kurbelgehäuse und weiss sonst noch wo. Sämtliche Motoren und Kompressoren werden von hier gestartet und deren Leistung und Kennzahlen hier vom Kontrollraum aus überwacht, kontrolliert und eingestellt. Der Chief Engineer startet einen der 4-Takter um uns zu zeigen wie das alles geht, in den Schränken vor uns knallt es laut, der Schaft-Generator muss nun weniger Leistung bringen, weil einer der 4-Takter mithilft, flink wechselt der Engineer die Ansicht auf dem Bildschirm und wir können die vier 4-Takter als kleine Säulendiagrammen sehen und erkennen einen, bei dem die linke Säule auf etwa 40% steht, die andere bei etwa zwei Drittel, der Leistung des Generators und der Drehzahl des Motors entsprechend.

Der Schaft-Generator erzeugt den gesamten Strom für das Schiff
sobald der Hauptmotor läuft. 


Die Treibstoff Aufbereitung ist nochmal ein Ding ganz für sich, wird aber auch alles von hier aus gesteuert und kontrolliert. Das Rohöl mit dem die Grossmotoren laufen hat bei normalen Temperaturen eine zähflüssige Konsistenz, etwa so wie dicker Honig. Damit das überhaupt von der Maschine verarbeitet werden kann und sich durch die Einspritzdüsen jagen lässt, muss der Treibstoff erhitzt werden. Zuvor wird er durch eine Zentrifuge geschleudert, welche als Filter dient und das Schweröl von allem möglichen Dreck befreit, der Treibstoff hat eine Temperatur von 132° C, wenn er von den Düsen in den Brennraum eingespritzt wird. Der Grossmotor wird ähnlich eines Automotors mit Wasser gekühlt, die Betriebstemperatur liegt, ebenfalls wie beim Auto zwischen 80° und 90° C. Zurzeit als wir es auf einem der Bildschirme ablesen können, sind es 83°C. Gekühlt wird der Motor mit einem geschlossenen Kühlwassersystem, das seinerseits Meerwasser zur Kühlung nutzt. Nebst Schaftgenerator und Schraube ist der Hauptmotor auch noch für ein weiteres System verantwortlich, die Entsalzungsanlage. Damit können pro Tag 12 Tonnen Frischwasser hergestellt werden. Wasser zum Verbrauch an Bord, Küche, Dusche, WC etc. Ein Problem wenn das Schiff zu lange an Dock liegt, dann muss Wasser zugetankt/gekauft werden, noch schlimmer wenn draussen vor Anker, wird uns der Kapitän später erklären, er sei einst mit einem anderen Schiff über 3 Monate vor Anker gelegen, das Frischwasser das mit einer Barke angefahren und umgepumpt werden musste hätte den Preis von Champagner überstiegen meinte er.

Die Treibstoffaufbereitungsanlage.

Wir bekommen Ear-Plugs, die wir alle flink zwischen den Daumen und Zeigefinger drehen und in die Ohren stopfen. „Hohlraumversieglung“ witzelt Ursi, auf meine Anspielung auf ihren iPod, mit der ich sie immer foppe, wenn sie zum Sport geht „machsch Hohlrumbehandlig…?“ und mit so verstopften Ohren geht’s raus in den Maschinenraum. Zuerst runter auf Höhe des Kurbelgehäuses, es ist heiss, riecht ein bisschen nach Öl und ist auffallend sauber überall. Ich muss zugeben, ich habe noch selten ein so sauberes Schiff gesehen, selbst in den Inselkraftwerken wo ich damals während meiner Sulzer-Zeit war, waren die Maschinen nie so sauber. Der Schaftgenerator ist eine riesige Kiste, die sich anschliesst an den Motor, die Welle danach liegt offen und hat in fixen Abständen ein grosses in ein gelbes Gehäuse gepacktes Lager, sie dreht mit den besagten 100 Umdrehungen. Die Deckel unten im Kurbelgehäuse sind Zeugen weniger quirliger Erinnerungen. Dort unten kletterte ich gebückt rein, wenige Minuten, nachdem der Motor abgestellt wurde, Zeit ist alles und die Maschine muss wieder tuckern, wenn die Ladung gelöscht oder die Frachträume voll sind. Ein Schwall heisser Öldämpfe kam mir entgegen, bevor ich rein kroch und mich auf einem öligen Absatz im gusseiserenen Kurbelgehäuse hinhockte. Der ältere Monteur, mein Chef, mit viel Erfahrung war draussen und gab mir, dem Rucky die hydraulischen Werkzeuge rein, die auf den grossen Pleuellagerzapfen aufgeschraubt werden mussten. Die Lampe mit dem Magnetfuss musste immer wieder neu fixiert werden, weil sie auf dem öligen Untergrund des Gusseisens langsam runter rutschte. Wenn alles ordnungsgemäss und so wie bei Benni im Kurs in Winterthur gelernt, installiert war, wurde die Hydraulik-Pumpe in Betrieb gesetzt, welche den Bolzen bei vorgeschriebenem Druck um einige hundertstel Millimeter streckte. Das reichte um die Muttern mit einem kleinen 10 Zentimeter langen Eisenwerkzeug von Hand zu lösen, drei Mal musste gelöst, das Werkzeug nachgesetzt und neu Druck aufgebaut werden, bis die Mutter dann von Hand weggedreht werden konnte, abwechselnd, von der einen zur anderen Pleuellagerschraube. Unwahrscheinlich heiss war es, von oben tropfte einem das Öl von Kolben, Pleuel und Motorblock auf den Kopf und lief einem zwischen den Schweissbächlein übers Gesicht, von unten drückte sich das heisse Öl durch den Overall und verschonte selbst die Unterhosen nicht mit schwarzen, öligen Flecken, bis man nach getaner Arbeit wieder aus dem Loch schlüpfte. Wieder draussen im Maschinenraum kamen einem die rund 40° heisse Luft fast schon frisch und kühl vor, nach der Arbeit in der Maschine. In Erinnerungen versunken trotte ich mit der Gruppe zurück in den Maschinenraum.

Die Zugangsklappen ins Kurbelgehäuse des mächtigen Motors.

Zwei der drei Kompressoren zur Erzeugung von 30 bar Druck 
zum Starten der Motoren.

Die Druklufttanks in denen die 30 bar Druck aufgebaut werden.


Tatsächlich eine andere Welt, denke ich, wie der Maschinen-Ingenieur über einen Touchscreen streichelt um irgendwelche Infos abzurufen. Wir erkundigen uns nach den Arbeitszeiten in der Maschine und ich bin erstaunt, dass hier von acht bis fünf gearbeitet wird, ansonsten gibt es einen Maschinen-Arbeiter der „on watch“ ist, das heisst er hat Wache, er macht alle zwei, drei Stunden einen Rundgang, ist aber nicht immer unten in der Maschine oder im Kontrollraum. Ansonsten gäbe es für fast alle möglichen Probleme einen Alarm, welcher sie informieren würde, falls etwas schief läuft, informiert uns der Philipino. Ausserdem sind alle wichtigen Funktionen ebenfalls von der Brücke einsehbar oder sogar kontrollierbar. Zurück über die Galerie aus dem Maschinenraum.

Der  Achtzylinder von Oben, das eckige Rohr bringt Fischluft 
für die Verbrennung, das grosse runde Rohr birgt die Isolation 
und den Auspuff.

Der Chief Mate führt uns runter aufs Deck 6, das ist auch dort wo unsere Autos, unterdessen komplett eingekreist von neuen Volvo Lastwagen mit Kipper-Aufbau, schlummern. Wir gehen über das niedrige Personenwagendeck, welches jetzt komplett leer ist. Ich nehme an, hier fuhren die Fiat von Argentinien nach Brasilien mit. Die Dimensionen dieses 214 Meter langen Schiffes sind für mich immer von neuem beeindruckend. Ganz hinten am Schiff angelangt, kommen wir durch zwei Türen sozusagen nach draussen. Ähnlich einem geschlossenen Balkon, kommen wir aufs Deck, auf dem sämtliche Winden und riesige Rollen und Körbe mit Tauen stehen. Alles wird von Elektro- oder Hydraulikmotoren oder einer Kombination derselben betrieben. Jetzt während der Fahrt auf dem offenen Meer liegt alles ruhig und still da. Der Chief Mate erläutert uns die Funktion des einen oder anderen und beantwortet ein paar Fragen. Olivier will wissen was die grösste Gefahr für ein Schiff dieser Grösse sei. „A collision!“ Eine Kollision mit einem andren Schiff, die Antwort erfolgt sofort und mit eindrücklicher Mimik des Gesichts, aber ganz ohne die Italo typische Fuchtelei mit den Händen an die ich mich schon so sehr gewohnt habe und bei der ich mich gelegentlich schon selbst ertappe beim Sprechen. Der flinken Antwort folgt ebenso ohne jedes Überlegen „a fire aboard“. Gerhard will wissen, was so ein Boot zum Sinken bringen könne, der Chief Mate ist sich sicher, die Grande Francia kann nicht sinken, ausser sie kollidiert mit einem anderen Schiff, was er nun doch zeigt, in dem seine grossen Hände, mit ausgestreckten Fingern sich vorne an den Fingerspitzen seitlich ein, zwei Mal gegeneinander Rammen. Über den geringen Tiefgang und die grosse Höhe kommen die Fragen zur Kippgefahr bei grossen Wellen, 40% seitliche Neigung sei des Schiffs Limit. In England hätten sie 25% gehabt und dabei zwei Mal insgesamt zehn Container verloren. Ursi und ich denken kurz an die 60% des Schiffes mit welchem wir die Drake Passage auf dem Weg in die Antarktis gemacht haben, während Olivier blitzschnell rechnet wieviel Winkelgrad die diskutierten Prozentzahlen ergeben und gefolgt von einem „ohlala, c’est quand même, comme ca…“ mit seiner flachen Hand die den entsprechenden Winkel zeigt. Der Chief Mate nickt bestätigend. Olivier seinerseits nickt ebenfalls stolz einmal zurück. Der Chief Mate hängt hinten über die Aussenwand und guckt sich die riesige, gelbschwarze, in der Mitte gefaltete Brück an, die jetzt im Ruhezustand Senkrecht am Schiffsheck zu kleben scheint. Wie artige Schüler tun wir im gleich und stützen unsere Oberarme auf der Brüstung ab und betrachten das stählerne Bauwerk. 270 Tonnen schwer, erörtert der Chief Mate, sei alleine die Einfahrtsrampe der Grande Francia. Wir müssen zweimal nachfragen aber die unglaubliche Zahl bleibt auch mit Italo Akzent dieselbe: „Yesä, twoähöndertäseventy tons!“ Auch diese wird elektro-hydraulisch und über 40 Millimeter dicke Stahlseile bedient. Wir steigen durch die zwei Schotten wieder ins Innere.

Auf dem PKW Fahrzeugdeck.

Zurück auf Deck 6 marschieren wir mit geduckten Köpfen wieder über das PKW-Deck durch das grosse Gittertor vorbei an unseren Autos, schleichen zwischen den brasilianischen Volvo Lastwagen durch und steigen eine kleine Rampe hoch, auf der viele mit weisser Folie beklebte VW Pick-Ups stehen. Alle mit Rechtslenkung. Zwischen diesen durch geht es wieder durch zwei stählerne Türen ganz nach vorne in den Bug des Schiffes. Wir sind nur mehr zwei, drei Meter über der Wasseroberfläche wie uns der salzige Fahrtwind erfasst. Kaum sind wir auf diesem Deck, wieder voller Winden und Taue, steigt der Chief Mate raus auf einen kleinen Balkon. Wir folgen ihm abwechselnd, da es nur für vielleicht drei von uns gleichzeitig Platz hat. Es ist laut, ohrenbetäubendes Rauschen vom Meer und das Pfeifen des Windes machen jede Unterhaltung unmöglich, per Handzeichen deutet unser Guide auf den mächtigen Anker der von hier visuell kontrolliert werden kann. Zurück vom windigen Balkon stehen wir vor den mächtigen Winden mit den Ankerketten. Ein einziges Kettenglied ist grösser als drei Männerhände, in der Mitte des Gliedes ist zusätzlich ein Steg zur Verstärkung eingeschweisst. Die Grande Francia verfügt über zwei Anker von denen jeder einzelne 17 Tonnen wiegt. 17 Tonnen! Wir witzeln, dass wir auch Olivier’s Lastwagen an die Kette hängen könnten, der sei etwa gleich schwer. Der Chief erklärt uns, dass das Auslösen des Ankers ein manueller Prozess ist, die riesigen Winden auf denen die Ankerketten aufgezogen sind verfügen auf der Seite über mächtige den ganzen Windentrommel-Durchmesser umschliessende Bremsbänder, diese ihrerseits werden über ein Rad bedient. Zum Ankern wird am Rad gedreht bis das Bremsband Schlupf bekommt und der Anker durch sein enormes Gewicht von selbst in die tiefe schnellt. Aufgezogen wird er wie fast alles an Board elektro-hydraulisch, der nötige Strom von Sulzer an Bord produziert.
Vom "Ankerbalkon"

Die Ankerkette

Der Chief

Immer wieder eindrückliche Grössenverhältnisse

Die Handräder zum Auslösen der zwei Anker

Zurück übers PKW Deck.

Alles scheint riesig. Geladene LKWs

Das Treppenhaus der Grande Francia

Gross...

...grösser...

...noch grösser...

...riesige Verhältnisse in den Cargo Räumen.

Ausblick vom Rear-Deck




Wenn Du bis hier gelesen hast, dann brauch ich Dir nicht mehr zu sagen wie begeistert, vor allem aber beeindruckt ich bin von allem, am meisten von den enormen Massen die wir hier über die Meere schaukeln, von der Ladung noch gar nicht zu sprechen. Es versteht sich von selbst was, nach dem wir die Treppen von Deck 6 bis hinauf auf Deck 12 gestiegen sind, das Thema beim Mittagessen ist. Und noch ist der Tag nicht zu Ende! Morgen werde ich Dir erzählen, was beim Drill alles passiert. Vorerst sage ich nur, eine der grössten Gefahren an Bord: Feuer!

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