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Sonntag, 18. Januar 2015

Grimaldi Tag 14: "Do youä thinkä youä arä ä womän or whatä?"

30. November 2014: Der letzte November Tag beginnt grau und regnerisch und droht, den bereits vor einigen Tagen von verschiedenen Crew-Mitgliedern freudig angekündigten Grillabend über Bord zu spülen. Noch während der Grill eingeheizt wird, regnet es leicht. Aber rund dreihundert Kilometer nach dem ich am Morgen durch das Kabinenfenster äugte, zeigt sich nun doch noch die Sonne. Domenico und Jeff, unsere zwei Stuarts werkeln eifrig und decken einen grossen Tisch an Deck. Minuten später sitzen wir alle am grossen langen Tisch und bekommen vor der prächtigen abendlichen Atlantik Kulisse haufenweise Fleisch serviert, und wenn ich sage haufenweise, dann meine ich das auch so! Der Kapitän setzt sich zu uns, ich sitze etwa in der Mitte und bekomme so etwas aus der französischen Ecke links von mir, aber auch viel von dem was der Kapitän zu berichten weiss mit.

Francesco unser Küchenchef schmeisst...

...Unmengen von Fleisch auf den Grill und verarbeitet es nach...

...und nach zu einem ausgezeichneten Dinner.

Interessant, er erzählt, dass die Italienische Reederei Grimaldi immer noch ein Familienbetrieb ist. Mittlerweile längst nicht mehr nur eine Reederei besitzt die Grupo Grimaldi Docks in verschiedenen Häfen der Welt, diverse Fährbetriebe in Italien und im Norden von Europa. Die Kombi-Schiffe wie das unsere, Ro-Ro, Container und sogar noch Passagiere kombiniert seien eine Exklusivität der Grimaldi Group, sagt der Kapitän. Auf den mehr oder weniger regelmässig bedienten Linien würden sie alles ausser Flüssiges und Bulk mitnehmen. Das mache niemand sonst. Spannend finde ich die Geschichte der Firma, nicht zuletzt weil es gewisse Parallelen zum Familienbetrieb gibt in dem ich einst gedient hatte und der nach dem Tod des Gründers und charismatischen Patrons in einer Serie von Organisations-Änderungen, Verwaltungsratswechseln, Verkaufsversuchen vor sich her schlitterte, getragen von den Leuten die im Unternehmen mit grösstem Elan mitarbeiteten, schlussendlich wurde das Familienunternehmen verkauft um wenige Jahre darauf nach vielen Management Wechseln wieder verkauft und… Anyway, ein sehr interessanter Weg, welche der Sohn des Gründers von Grimaldi einschlug. Um sich nicht im Grabe umdrehen zu müssen, hat Grimaldi, der der zweiten Generation seit Gründung des Unternehmens, sein ganzes Firmenimperium noch zu Lebzeiten in mehr oder weniger gleichgrosse, unabhängige Firmen aufgeteilt, die dann ihrerseits in der Holding Gesellschaft der Grupo Grimaldi Zusammenschluss fanden. Zum Zeitpunkt des Todes dieses umsichtigen Patrons war die Firma in genauso viele mehr oder weniger gleichwertige unabhängige Firmen aufgeteilt wie er Kinder hatte. Per Testament teilte er die Firmen auf seine Kinder auf. Zwei hatten kein Interesse am Unternehmen und verkauften ihrerseits ihre Firmen wieder der Gruppe und so ist dieses namhafte Unternehmen auch heute noch ein stolzer italienischer Familienbetrieb. Notabene unterdessen der Welt grösster RoRo Anbieter der Welt. Keines der Schiffe fahre unter billig Flaggen wie Panama, Malta, Moldawien oder so ähnlich, sondern alle segeln unter italienischer, englischer oder einer skandinavischen Flagge, erzählt der Kapitän stolz. Mit der Ausnahme der Schiffe die in Malta operieren. Ich weiss natürlich nur wenig darüber, zu wenig um zu urteilen, doch finde ich es eine schöne Erfolgsgeschichte und es spricht für den Sohn des Firmengründer, der das Unternehmen übernommen und weiter ausgebaut hat. Bestimmt ist es auch ihm nicht leicht gefallen, das was er als eine grosse Firma ausgebaut hatte in verschiedene kleine Firmen aufzusplitten, aber es zeugt von einem sehr umsichtigen Unternehmer, der das zerfallen der Firma bei Generationenwechsel äusserst erfolgreich verhindert hat.

Kapitän und Passagiere zu Tisch...

Kurz drohen meine Gedanken zu entfliehen, wie es wohl wäre wenn der Betrieb in dem ich die Energie zweidrittel meines Erwerbslebens investiert hatte noch ein Familienunternehmen wäre. Wie meine Gedanken wieder auf Deck 12 der Grande Francia zurück finden hat das Thema gewechselt. Der Kapitän fuchtelt wild und erzählt von kontrollierten E-Mails und abgehörten Telefonen, von Bürokratie und von seinen ersten Schiffsreisen in die USA und wie einfach damals noch alles war. Damals waren die USA noch ein freies Land, sinniert er. Erzählt, dass er als junger Seemann einst in Baton Rouge nach dem sie mit ihrem Schiff den Mississippi hoch gefahren waren, mit ein paar Kumpels zusammen eine alte Schrottkarre gekauft hätten und damit die Gegend erkundet hätten, bis sie wieder aus dem Mississippi in den Golf von Mexico navigierten, die Karre blieb einfach am Dock stehen, lachte er. Wenn er heute in die USA fahre, dann müsse er schon in Italien einen Antrag stellen für alle Mann an Bord seines Schiffes und keiner dürfte das Schiff verlassen.

...Crew und Matrosen ebenso.


Unterdessen holt uns die Nacht ein, prächtige dunkle Gewitterwolken bilden einen starken Kontrast zum tiefblauen Himmel bevor es ganz dunkel wird. Die Philipinos haben eine Karaoke Maschine samt grossem Flachbildschirm aufgebaut. Wie in Südostasien üblich haben die kleinen Männer kaum Hemmungen vor dem Mikrofon zu stehen, egal ob sie quietschend Songs von Pink nachsingen oder mit einem vollkommen unverständlichen Englisch Yesterday von den Beatles vom Bildschirm pflücken und wiedergeben, das Mikrofon ist immer besetzt. Der Kapitän hat nichts als ein Kopfschütteln und die typische auf und ab Handbewegung mit den geschlossenen Fingern die nach oben zeigen für die Singkünste übrig. Zwischendurch versuchen sich auch Francis und Isabelle gemeinsam an einem Beatles Song, der mit dem französischen Akzent nicht minder witzig tönt. Die Italos sitzen mit den Philipions am Tisch und lachen sich krumm, wenn diese mit ihren zarten Stimmen ins Mikro trällern. Nach jedem Song wird ein Score auf dem Bildschirm angezeigt und ich komme nicht umhin zu glauben, dass es wenig mit der Qualität des Sängers zu tun hat, der Score liegt nämlich immer nur ein, zwei Punkte unter dem Maximum von 100 Punkten. In dem Moment in dem sich der Kapitän erhebt und sich von uns verabschiedet quietscht gerade einer der Asiaten mit so hoher Stimme ins Mikro, dass jeder Zweifel an seiner Männlichkeit berechtig ist. Der Kapitän steht auf und bleibt vor dem kleinen Mann der aus vollen Lungen ins Mikro singt stehen: „Whatä isä wrongä withä you? – Do you thinkä you arä ä womän, orä whatä?“ die Philipinos, die Italos, wir brechen in lautes Lachen aus. Der Kapitän verabschiedet sich und verschwindet. Wir „geniessen“ noch eine Weile den philippinischen Singsang bevor wir uns von den leichten Regentropfen vertreiben lassen und uns in unsere Kabinen verkriechen. Das monotone Knurren der Motoren übertönt die zarten Knabenstimmen genauso wie die Bässe der begleitenden Takte des Karaoke Lautsprechers.  


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