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Mittwoch, 24. Dezember 2014

Das Grimaldi Tagebuch: Erster Tag, Wartä - Secklä!

Na also, das ist doch allerhand, als hättest Du nicht genug um die Ohren an diesem Heilig Abend, kommt auch jetzt endlich wieder Bewegung in den blue truck blog. Eine neue Serie, das Grimaldi Tagebuch: Ich nehme Dich mit an Bord eines 214 Meter langen und 34 Meter breiten Frachtschiffes der italienischen Grimaldi Reederei. Mit diesem Schiff ging es nämlich ganz gemütlich und während über vier Wochen von Uruguay in Südamerika, via Afrika zurück nach Europa. Interessiert es Dich, wie das Leben an Bord eines Frachtschiffes so abläuft, was in Dakar, Senegals grösstem Hafen so passiert, was gibt's zu Essen, wie sehr schaukelt es? All dies und noch vielmehr erfährst Du, wenn Du jetzt mit mir an Bord der Grande Francia steigst und die nächsten Wochen immer mal wieder hierher kommst, auf den blue truck blog.



AHOI! - Einsteigen und los geht es. Ab an Bord! 


17. November 2014: Schweizer Armee Training nützt ganz unerwartet doch noch was

Abschied von Heinz & Silvia
„Thomas – Thomas“ höre ich draussen vor dem Auto Silvia, unsere Gastgeberin auf dem Camping Suizo rufen. „Ja, guetä Morgä Silvia!“ rufe ich aus dem Bett herunter. „Ihr müesst los, die erwartä üch am zähni in Montevideo“ – „Ohuu, ja mir chömmet grad abä…“ – „Kei Stress“ lacht Sivlia und marschiert von dannen. Das Internet hatte uns noch gestern verraten, dass „unser“ Schiff, die Grande Francia bereits in Montevideo vertäut am Hafen liegt. Wir wunderten uns, dass Alexandra von der Grimaldi Agentur uns noch immer erst auf den 18. November nach Montevideo bestellt hatte. Aber wir genossen die Zeit so sehr im Paraiso Suizo, dass wir die Info gerne, wenn auch leicht zweifelnd akzeptierten. Noch ein Tag, richtig gemütlich bei prächtigem Wetter alles zusammenpacken, noch ein bisschen was im Internet machen, sich noch per Mail bei Freunden und Familie vorerst mal aus Südamerika verabschieden, hättest Du etwas gegen einen so gemächlichen Aufbruch? Und vor allem, noch ein Abend prächtig essen und noch prächtiger trinken bei Silvia und Heinz. Eben. Und eben, es kommt anders.

Unser Camp im Paraiso Suizo
So läuft das, so haben wir locker mit 24 Stunden mehr gerechnet fürs Zusammenpacken. Und sag nicht, das wär bei Dir anders und Du hättest das alles so perfekt im Griff, das Ding mit dem Zusammenpacken. Irgendwie immer last Minute, irgendwie geht das einfach nicht, dass man schon so wirklich vorher. So ein bisschen schon, so ein wenig hier und da, aber da hast Du ja doch immer diese Sachen, die ja dann mit in die Schiffskabine müssen und die besser mal noch nicht zu tief verstaut werden. Dies das Du halt noch brauchst und jenes, das noch vom einen ans andere Ort geschoben wird. Und der Kocher und da willst doch auch am letzten Tag noch schnell ein Käfeli machen und überhaupt. Also Pfannen schon in die Kiste, aber Mokka-Kanne muss ja auch dort rein. Tassen auch. Also doch noch nicht verstaut.


Geplant oder nicht, jetzt geht es schnell. Wir sind fast schneller geduscht als dass das Wasser durch die Mokka-Maschine auf dem Coleman-Kocher dampft und Kaffee zu produzieren vermag. Und dann geht eins nach‘em anderen, trotzdem, es dauert gut und gerne zwei Stunden, bis wir alle Dächer eingerollt, das Velo zusammengeklappt und festgezurrt und einfach alles drin und dran haben.

Ex-Dakar Racer von Claude & George
Haben die über zwei Wochen Standzeit der 4.2 Liter Maschine des Toyotas das Anspringen vermiest? Jetzt dreh ich gleich den Schlüssel und der erwacht nicht zum Leben, meine Gedanken beim Vorglühen des Diesels. Ne, zum Glück nicht, ein kurzer Klack des Anlassers und der Diesel nagelt. Der knurrt sich nun im Leerlauf langsam warm, während wie uns von Heinz und Silvia unseren ach so netten Gastgebern und von Oli und Viola die vor zwei Tagen angekommen sind verabschieden. George und Claude haben ihren ex-Dakar Race-Lastwagen bereits Abfahrtsbereit auf der Ausfahrt platziert. Auch sie werden Goodbye geküsst. Ein kurzes letztes Winken. Auf geht’s! Es ist unterdessen halb elf gewesen.

Ich stell mir die ganze Einschiffung ein bisschen wie Schweizer Militärdienst vor. „Secklä – Wartä – Secklä – Wartä – Secklä as chasch wartä…“ trotzdem, zu spät bin ich nicht gern. Schweizer halt. Um den Umweg bis zum nächsten Retorno nicht machen zu müssen holpern wir mit dem Toyota über den Grünstreifen der Schnellstrasse. Gut hat sich der 6 Zylinder schon ordentlich aufwärmen können, denn jetzt muss der sich in Geschwindigkeits-Sphären hochdieseln in denen er auf der ganzen Reise noch nie war. Wir donnern mit gut 130 Sachen über den Asphalt, das 90 km/h Speed Limit so konsequent ignorierend wie die Uruguaios, die noch wesentlich schneller an uns vorbeibrausen. So machen wir wacker Boden gut und die Garmin-Dame rechnet alle paar Minuten eine Minuten weniger bis zur Ankunft im Hafen. Kannst Du Dir vorstellen, gar nicht mehr zu wissen, wie es ist sich beeilen zu müssen? Komisch, gell? Aber genau das denke ich mir wie wir bei erfreulich wenig Verkehr mit ungewohnt hoher Drehzahl des Diesels Richtung Montevideo sausen: „Ich weiss gar nicht mehr wann ich zum letzten Mal pressiert habe“. Ist doch auch schön. Das denk ich mir und gleich noch ob ich vielleicht das Pedal noch ganz durchdrücken soll. Ehrlich gesagt weiss ich nicht mal wie schnell der blue truck mit voller Ausrüstung laufen würde. Aber ich denk mir, wenn der Tacho schon leicht über 130 zeigt und Jill von Garmin via Satelliten unseren Groundspeed auf wechselnd zwischen 129 und 130 Stundenkilometern einschätzt, dann reicht das schon. Mehr als 10 mehr bringt der eh nicht hin und das macht jetzt bestimmt den Braten nicht mehr feiss. Und so besinne ich mich auf meine „Secklä-Warte“ Theorie und lass mich gar nicht erst stressen. Eh auch etwas an das ich mich nur noch in weiter Ferne erinnern kann, das Stressen.  

Nochmal ein Ungewohnt für den blue truck, wir schlängeln uns durch den Stadtverkehr wie die reinsten Neulenker, die Dir auf Deinem Arbeitsweg auf den Wecker gehen wie sonst was. Schwumm da geht’s noch durch bei Orange, wrrrrooom da noch schnell rechts vor würgen in die Pole-Position an der Ampel. Mit schwarzem Qualm und Vollgas gleich wieder links rüber und am Autobus vorbei der noch schwärzer raucht und ebenso Vollgas fährt aber wesentlich langsamer rollt. Und als ob das alles genützt hätte rollen wir mit einer sehr guten Zeit von knapp einer Stunde für die 90 km inklusive Hauptstadtverkehr ans Hafenportal.


Warten auf das Einschiffen


Schiffskumpanen
Ein Land-Rover mit Wohnmobil Aufbau steht vor einem Steyr, so einen wie ich ihn im Wartä-Secklä Militärdienst selbst noch fuhr, 40 Jahre auf dem Buckel, werden wir später erfahren, besagter Steyr steht vor einem französischen Wohnmobil und zu guter Letzt ein prächtiger 4x4 MAN in schickem Wüsten-Beige. Da können wir nur richtig sein. Was meinst denn Du? Wir stellen uns dazu. Bloss - keiner da! Also marschieren wir los, lassen das Auto mal dort wo es sicher keiner übersieht. Oder doch, neben diesem Schiff. Da steht sie nämlich die Grande Francia, wirklich unübersehbar am Pier. 214 Meter lang und doppelt so hoch wie der Kirchturm des Dorfes in dem ich aufwuchs. Auf geht’s: Wir fragen da, wir plaudern dort. Ein bisschen Händchenschütteln hier, ein bisschen ins Telefon labern dort. Ein bisschen „un momento“ und ein bisschen „tranquillo“ und ein bisschen „Wartä-Secklä-Wartä…“ und so kommt spät aber wahr doch noch was ganz unerwartetes zum Vorschein, ich hab doch noch was gelernt im Schweizer Militärdienst: Ich bin sozusagen trainiert für diese Situation.  Secklä – Wartä, wer hätte gedacht, dass ich das je wieder in meinem Leben brauche.

Ab ins Dunkel des Schiffsbauches
Überwältigende Dimensionen an Bord
Und der Rest des Tages gestaltet sich treu dem Motto folgend. Bis der Toyota von der Grande Francia verschluckt wird. Auf der Rampe noch ein letztes bisschen des Wartens. Dann ist Schluss. Kabine beziehen. Zur ganz, ganz grossen Freude eine andere als die gebuchte, nämlich eine mit Fenster. Schnell sind unsere Habseligkeiten für die nächsten vier Wochen verstaut und wir stehen auf Deck und schauen dem Treiben zu. Erstaunlich wie ruhig und ohne Hektik alles zu und her geht im Hafen von Montevideo.




Zwei Fuss vs. 40 Fuss Container
Pünktlich wie eine Schweizer Uhr servieren die Italiener das Abendessen. 18:00 sitzen wir mit den anderen Passagieren beim Dinner. Ein bisschen plaudern, ein bisschen kauen, ein bisschen kennenlernen, dann noch ein bisschen an Deck, noch ein bisschen Abendstimmung von Montevideo. Und dann heisst es ab in die Koje. Mitternacht muss schon vorbei sein, ich spüre eine leichte Vibration und höre wie der Riesen-Diesel der Grande Francia Drehzahl annimmt. Wir stechen in See, oder besser in den Rio de la Plata. Die Vibrationen pendeln sich schnell auf ein Minimum ein, die Matratze dämpft die leichten Vibrationen, das Gebrumme säuselt mich in den Schlaf.




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