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Donnerstag, 14. November 2013

Von vielen Röcken und noch mehr Gerüchen

Flink geht’s erst jetzt, talwärts, auf über 4‘000 Metern geht meist nichts mehr flink solange es hoch geht, ob mit dem Toyota oder mit mir, wir keuchen beide. Doch der Pass ist geschafft und langsam schiebt der blue truck im dritten Gang den Berg runter, gelegentlich ein blau-weisses Wölkchen aus dem Auspuff hustend. Im gelb-blau gepinselten Zahlhäuschen das mitten auf die Strasse betoniert ist sitzt eine freundliche indigene Frau mit hohem Filzhut. Die Gebühr ist bezahlt, das Licht schaltet auf grün. Kurz ist das Rollen - ich werde von einem in grüner Uniform, dicker Jacke und Fellmütze steckenden Polizisten gestoppt. Ein paar Fragen, ein gleichgültiger Blick auf meine Papiere. Dann der wichtige Teil. „Amigo…“ so fängt es ausnahmslos immer an in Peru, immer dann wenn jemand was von Dir will. Und der freundliche Policia mit dem ledrig-gegerbten Gesicht will auch gar nichts für sich. Seine zwei „Amigos“ (schon wieder) müssten ins Tal, wirklich nur bis zum nächsten Dorf. Von Wind, Wetter und vor allem von der brutalen Sonne in den grossen Höhen, sind die Gesichter gezeichnet. Die zwei Sitzen auf unzähligen Taschen und in bunte, gewobene Decken gepacktem Allerlei. Er winkt den beiden zu. Flink schiessen sie von ihren Bergen von Ware hoch. Sekunden später sitzen die zwei auf dem Beifahrersitz des blue truck. Die Beinchen baumeln wie Kinderbeine über der Kante des Autositzes ohne den Fahrzeugboden zu berühren. Immer wieder erstaunlich wie kleingewachsen die Andinos sind. Aber praktisch. Kein Zweifel. Weil so passen auch die vielen Taschen und in Stoff gehüllten Dinge alle mit rein, samt den beiden. Die Frau sitzt neben mir, der Mann am Fenster. 

Boah, ich sag Dir, Fenster runter kurbeln. Schnell - obwohl eiskalt, ganz runter! Heidis Geissen-Peter ein Dreck dagegen oder eben kein Dreck dagegen. Echt. Jetzt pass auf, das glaubst Du schlicht nicht. Trotz all der Röcke, Unterröcke, Über- und Unterstrümpfe, Socken und weiss sonst was noch. Und obendrauf der Hut. Schon klar, schon Potential. Trotzdem, so kann kein Mensch stinken. Das geht einfach nicht. Sie guckt rüber zu mir und grinst freundlich, ich versuche vom Zweiten in den Dritten zu schalten ohne die so nah und kuschelig bei mir sitzende Frau zu berühren. Geht schlecht, so zu dritt im engen Toyota Cockpit, dazu mit all dem ganzen Plunder der beiden. Ich lächle bedrückt-freundlich zurück, atme aus, drehe den Kopf nach links, atme durch das offene Fenster frische Luft ein. Das muss das Procedere sein für die nächsten Kilometer, meine unmittelbare Entscheidung. Eigenartig wie die Frau immer wieder mit der flachen Hand auf eine Tasche zwischen ihren Beinen drückt. Eine dieser bunten aus Kunstsofffäden gewobenen Taschen, Du weisst schon, solche wie sich in grossen Zahlen am Flughafen in Zürich Kloten auf dem Gepäckförderband in Richtung Schweiz bewegen wenn ein Flugzeug aus Afrika, Asien oder eben Südamerika angekommen ist. Schon eigenartig, wie sich diese Tasche immer wieder ausdehnt, kaum hat die Señora von neuem mit der flachen Hand drauf gedrückt. Sie plaudert mit ihrem Weggefährten irgendetwas in Quecha, der Sprache der peruanischen Andinos, der Menschen die in den Anden leben.

Ich sag Dir: Es ist so schwierig da oben spärlich mit der Luft umzugehen, es gibt ja schon so wenig davon oder Sauerstoff darin zumindest. Trotzdem, mir stinkt’s! Nun gut. Noch ein Luftzug durch das offene Fenster. Und plötzlich vermag die Frau der Tasche nicht mehr Herr sein. Aus dem bunten Kunststoffgewebe reckt sich das kleine rundliche Köpfchen eines Baby-Lamas. Verwundert gucken mich die schwarzen Kulleraugen, mit riesig zierlichen Wimpern an und schon reckt sich der lange Hals um aus der Frontscheibe etwas von der Passfahrt mit zu bekommen. Der Blick der Frau trifft den meinen, zärtlich streicht sie dabei über das Köpfchen, nein nicht meins, das des gewundrigen Baby-Tierchens und scheint mir mit der einen hoch gezogenen Augenbraue und dem verschmitzten Lächeln eine Entschuldigung für den Tiertransport abringen zu wollen. Mir ist’s egal, nein eigentlich entspannt es mich doch ziemlich, zumal das Tierchen wirklich ganz härzig ist. Vor allem aber bin ich beruhigt, dass nicht meine menschlichen Passagiere eine derart tierische Ausdünstung im blue truck verbreiten. Während die zwei Indios vor allem vom GPS begeistert sind auf dessen kleinem Bildschirm wir gemächlich als blauer Pfeil den Berg runter rutschen, ist das kleine Lama von der Sicht durch die Frontscheibe wesentlich mehr angetan. Wie die Tasche nun mal offen ist, scheint auch der strenge Geruch sich langsam zu mässigen. Unzählige Spitzkehren später murmelt der Mann etwas was mir signalisiert, dass er aussteigen will. Flux hopst der Kleine mit einem Teil der Ladung vom Beifahrersitz. Mit einem knappen „Gracias“ fällt die Tür ins Schloss und Lama, Frau und ich fahren bis ins nächste Dorf, an dessen Ausgang auch die Frau, ihr Tierchen und eine Menge bunter Sachen vom Beifahrersitz des blue truck rutschen. Schon richtig gut gewöhnt hab ich mich, an den deftigen Geissen-Stall-Geruch, trotzdem, das Fenster bleibt noch einige Kilometer weiter weit offen. 

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